Reshumanis, die Allianz zur Befreiung des Solsystems von der dellianischen Fremdherrschaft, erhält einen Versorgungsstützpunkt beim Saturn. Rohstoffe und Material für die Aktivitäten im Solsystem können nun lokal beschafft werden und müssen nicht mehr über interstellare Distanzen transportiert werden. Ein wichtiger Schritt für die Rückgewinnung des Solsystems.
-- 2967, 30 Jahre vorher --
Ein Mann geht die Rampe hinunter auf das Dock des Titan-Terminals. Er ist groß, athletisch, charismatisch. Noch ist er ein Niemand. Keiner kennt ihn. Aber das wird sich bald ändern. Er ist Dellianer und er wird in der dellianischen Hierarchie aufsteigen. Dafür wurde er gemacht. Er hat ein Multitasking-Bewusstsein, ein beschleunigtes Nervensystem, Assoziationsbooster, die dellianische Variante des Ninja-Upgrades und genetisch angelegte Genie-Fähigkeiten im Memetik-Bereich. Er ist überzeugend. Er weiß, wie man sich durchsetzt und er wird sich durchsetzen. Er braucht 20 Jahre bis an die Spitze. Dann wird er Satirax, der Protektor des Saturn. Er glaubt, er kommt von den schwebenden Habitaten der Venus. Aber das ist eine eingepflanzte Erinnerung. Tatsächlich kommt er von Valerius, aus einem Spezialprogramm des memetischen Abwehrdienstes von Valerius.
--
Die Tatsache, dass Satirax, der dellianische Protektor des Saturn, den Menschen einen Stützpunkt gewährt, erscheint wie ein Wunder. Diese Öffnung bedroht die Herrschaft der Dellianer im Solsystem. Das weiß Satirax genauso wie der Protektor von Sol auf der Venus und alle anderen Protektorate im System. Aber für die lokalen Protektoren ist die Kontrolle ihres eigenen Machtbereichs wichtiger, als die eher abstrakte dellianische Gesamtherrschaft. Der Vorgang ist die Folge einer religiösen und wirtschaftlichen Entwicklung im äußeren System.
Satirax erhält für die Überlassung des Stützpunkts eine Pacht und für Ressourcenextraktionsrechte technische Unterstützung der Reshumanis und einen Anteil an den gewonnenen Rohstoffen. Für den Protektor des Saturn ist der Handel dringend nötig, denn das Protektorat Saturn ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die nach der Eroberung übernommene Infrastruktur ist nun gut 200 Jahre alt und schlecht gewartet. Ausrüstung, die auf dem Höhepunkt der Barbarenwelle geplündert wurde, ist sogar über 300 Jahre alt. Obwohl Autofabs und Reparaturschwärme sehr lange selbständig laufen können, macht sich der Verschleiß inzwischen bemerkbar. Gleichzeitig befindet sich die Bevölkerung im Niedergang. Es gibt nicht genügend Fachkräfte unter den menschlichen Sklaven und autonomen Mechs, um alle Anlagen manuell zu warten oder zumindest Wartungsbots in Betrieb zu halten. Der Niedergang der Wirtschaft reduziert das interplanetare Handelsvolumen zwischen äußerem und innerem System. Luxusgüter aus dem inneren System sind für den Saturn inzwischen unbezahlbar.
Die Schwierigkeiten des Saturn werden verstärkt durch ein religiös motiviertes Embargo der anderen äußeren Protektorate. Um das Jahr 2990 war Satirax mit seinem Hofstaat vom speziellen Uthoismus zum allgemeinen Uthoismus übergetreten. Einige Lehren des allgemeinen Uthoismus gelten den Anhängern des speziellen Uthoismus als Frevel. Aus der Sicht des speziellen Uthoismus sind die Allgemeinen schlimmer als Ungläubige, denn sie ignorieren nicht nur die Lehre des Uthoismus sondern sabotieren diese.
Kern des Uthoismus (Hindi, "sich erheben") ist die These, dass das Leben ein Auftrag des Universums ist, nach dem höchsten Glück zu streben. Mit dem Erreichen des perfekten Glückszustands kann das Individuum seine weltliche Hülle verlassen und zum transzendenten Wesen im Einklang mit dem Universum werden. Bürger in wohlhabenden Zivilisationen – und die Mächtigen in allen anderen technisch hochentwickelten Gesellschaften – sind im Wesentlichen unsterblich. Sie leben sehr lange in biologischen Körpern, später mit künstlichen Organen und technischer Unterstützung und schließlich als Uploads in Androidenkörpern oder in Simulationen. Der Tod ist eher ungewöhnlich. Das schadet der Attraktivität von ewigem Leben und Wiedergeburt nach dem Tod. Stattdessen wird in vielen Religionen eher ein besonders bemerkenswertes Ende nach einem langen guten Leben angestrebt. Das gilt auch für den Uthoismus, wo die Gläubigen das Ziel haben, nach einem langen glücklichen Leben auf dem Höhepunkt des Glücks mit dem Universum eins zu werden. In der Praxis werden zur Erreichung des transzendenten Zustands oft technische und biochemische Hilfsmittel verwendet.
Orthodoxe Uthoisten lehnen solche Hilfsmittel ab. Sie versuchen durch ihren gesellschaftlichen Status und die damit verbundene Macht glücklich zu werden. Dafür streben sie die höchsten Ebenen der dellianischen Hierarchie an. Sie vertreten den speziellen Uthoismus bei dem nur die Besten und Mächtigsten den höchsten Zustand erreichen. Orthodoxe Uthoisten sind oft sehr machtbesessen, rücksichtslos und erfolgreich. Für die Gläubigen des speziellen Uthoismus ist das Glück ein Nullsummenspiel. Andere müssen verlieren, damit sie gewinnen können. Deshalb ist es nur einer geringen Anzahl Individuen vergönnt, den transzendenten Zustand zu erreichen. Da Glück und Reichtum korreliert sind, haben die Mächtigen die besten Chancen. Daraus leiten die Mächtigen einen größeren Anspruch ab und im Umkehrschluss keinen Anspruch auf Transzendenz – und Glück – für niedrigere Ränge und Sklaven.
Im allgemeinen Uthoismus ist das Glück dagegen unbeschränkt und jeder Sophont kann die Transzendenz anstreben. Nach dem allgemeinen Uthoismus gilt das auch für Sklaven, obwohl deren Weg offensichtlich weiter und schwerer ist. Anhänger des allgemeinen Uthoismus werden von den Speziellen gehasst und verfolgt, da die Speziellen der Meinung sind, dass die Allgemeinen ihre Chancen auf Transzendenz verringern.
Unter Dellianern dominiert der spezielle Uthoismus. Viele Spezielle bemühen sich, ihre eigenen Chancen zu verbessern, indem sie andere am Glück hindern. Besonders menschliche Sklaven, aber auch niedrige dellianische Ränge werden schlecht behandelt oder sogar misshandelt, um deren Glückspfad zu erschweren. Jede Ebene der dellianischen Hierarchie im Solsystem versucht die untergeordnete Ebene zu unterdrücken. Auch viele Sklaven haben den Uthoismus angenommen oder handeln zumindest entsprechend, um nicht aufzufallen. Dadurch zieht sich die Praxis der Misshandlung von Untergebenen bis in die Ränge der Sklaven. Uthoismus ist nicht nur eine Religion, sondern auch ein effizientes Unterdrückungsinstrument.
Mit dem Übertritt zum allgemeinen Uthoismus verrät Satirax aus Sicht der dellianischen Mehrheit den Uthoismus. Unter der Herrschaft von Satirax dürfen sich alle Sophonten auf den Glückspfad begeben, auch wenn der Weg für die Sklaven sehr schwierig ist. Für orthodoxe Uthoisten verringern sich dadurch ihre Chancen auf Transzendenz. Sie bekämpfen deshalb Allgemeine wie Satirax. Mit dem Embargo gegen das Saturn-Protektorat versuchen die anderen Protektoren, Satirax in die Knie zu zwingen, um wieder einen Rechtgläubigen als Protektor des Saturn einzusetzen. In der Not öffnet Satirax sein Protektorat für die interstellare Reshumanis. Ein wichtiger Schritt für die Rückgewinnung des Solsystems.
-- 2987, 10 Jahre vorher --
Eine Frau geht die Rampe hinunter. Sie ist schön, atemberaubend schön, nicht für Menschen, aber für Dellianer. Für Dellianer ist sie eine Göttin. Und sie ist intelligent, aufmerksam, unterhaltsam, zurückhaltend, manchmal ausgelassen und wild. Sie ist das personifizierte dellianische Schönheitsideal. Das Ergebnis von 200 Jahren Optimierung, von Simulationen, Tests und Iterationen. Die ursprüngliche Genvorlage basiert auf Jahrtausenden natürlicher Selektion in den Palästen von Dellia, lange bevor Dellianer interianische Raumschiffe bestiegen, um den Sektor zu erobern. In den Labors von HR-Technologies auf Valerius wurde ihre Genlinie für den Auftrag präpariert. Moderne solare Gensynthese angewendet auf die dellianische Biologie. Die Genlinie – ihr dellianischer Name bedeutet Andromeda, nach unserer Nachbargalaxie – war schon lange ein Ideal. Auf Valerius bekam sie zusätzliche Empathiebooster, Intelligenz-Upgrades und die genetische Programmierung, ihren Auftrag zu lieben. Sie wurde mit den modernsten Methoden ausgebildet und ist an planmäßig gestellten Herausforderungen zu einem selbstbewussten Charakter herangewachsen. Ein wichtiger Teil ihres Lebens war immer der Glaube an das Glück für alle Wesen. Sie wurde erzogen im Glauben, dass alle eine Chance haben sollen sich zu erheben und mit dem Universum eins zu werden. Sie ist das Endprodukt einer langen Reihe von Optimierungen, in der Genvorlage und in den prägenden Erlebnissen ihrer Jugend. Sie ist perfekt, perfekt gemacht. Perfekt für eine Person: den Protektor des Saturn. Sie ist das Geschenk eines Marui-Handelsfürsten für den Herrscher des Saturnsystems. Ihr Auftrag: Satirax vom wahren Glauben zu überzeugen.
--
Valerius war schon früh immer wieder von Barbarenüberfällen betroffen. Die Angreifer kamen mit automatischen Waffensystemen, die sie aus imperialen Depots entwendet hatten. Die Heimatverteidigung von Valerius hatte keine Chance. Deshalb waren einige Leute auf Valerius der Meinung, dass man nicht bei der Technik, sondern bei den Besatzungen der Raumschiffe ansetzen müsste, vielleicht sogar bei ihren Anführern. Das Spartakus-Projekt sollte die hochentwickelte solare Gentechnologie für Alien-Biologie nutzbar machen. Vor allem für Dellianer und andere Völker aus den Badlands. Es sollte Genvorlagen entwickeln und optimierte Individuen herstellen. Nicht alle waren davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, den Dellianern perfekte Anführer zu geben. Aber wenn man etwas so gut kennt, dass man es perfektionieren kann, dann kennt man auch seine Schwachstellen. Und die Produkte des Spartakus-Projekts haben eine Schwachstelle: eine genetisch eingestellte Neigung zu Andromedas.
#Religion #Wirtschaft #Besatzung #interplanetar
http://jmp1.de/h2997
2135 SCALE: Beginn eines großangelegten Programms gegen die Erderwärmung durch Reduzierung der Sonnenstrahlung auf die Erde
Der Name SCALE steht für "Solar Constant Adjustment at the Lagrangian point of Earth", ein Sonnenschirm zwischen Sonne und Erde.
Es gibt fünf Lagrange Punkte an denen sich die Schwerkraft von Sonne und Erde aufheben. Einer davon, der L1 Punkt, liegt genau zwischen Sonne und Erde in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde. Objekte bleiben dort auch ohne Antrieb für lange Zeit am selben Ort.
Im Rahmen des SCALE Programms werden am L1 Punkt riesige Schattenblenden aus Aluminiumfolie aufgespannt. Im Lauf von 15 Jahren entsteht eine Fläche von drei Millionen Quadratkilometern. Das sind etwa zwei Prozent der Fläche der Erde von der Sonne aus gesehen. Damit kann man die Sonneneinstrahlung auf die Erde um zwei Prozent reduzieren und das reicht, um die globale Temperatur ein paar Grad abzusenken.
---- EVA (Extra Vehicular Activity) Außeneinsatz ----
Gleißendes Sonnenlicht. Dunkelheit. Dann regelt sich das adaptive Visier langsam ein. Ich sehe wieder was. Auch wenn alles gerade hinter dem Nachbild verschwindet, das die Sonne auf meiner Retina hinterlassen hat. Die Transparenzsteuerung des Visiers hat wieder zu langsam reagiert. Ich muss echt mal den Controller checken. Und ich sollte endlich lernen, nicht genau in Richtung Sonne zu sehen, wenn sich die Luke öffnet. Anfängerfehler. So kann ich nicht raus. Kurz warten, bis sich die Augen beruhigt haben.
"Chrzz" meldet sich die Audioverbindung, "Jomo, was ist los?". "Augen anpassen", antworte ich in der Hoffnung, dass mein kleines Missgeschick nicht auffällt. "Aha" kommt es von der anderen Seite, "du musst echt mal den Controller checken". Tja, meiner Einsatzleiterin Kuki Nguya entgeht nichts. Ist ja auch gut so. Also dann los.
Ich hangle mich am Handlauf vorwärts und gleite durch die Luke nach draußen. Nach einer Drehung habe ich wieder einmal die größte Wand des Sonnensystems vor mir. Wir sind am Habitat III, ein paar Kilometer vor den Schattenblenden auf der Sonnenseite. In alle Richtungen breiten sich die Blenden aus, über tausende Kilometer. Ein majestätischer Anblick. Der Beweis, dass die Menschen nicht aufgeben, dass es immer eine Lösung gibt. Auch für globale Probleme, wie die Erderwärmung. Ein Triumph menschlicher Ingenieurskunst. Ich bin ein bisschen stolz hier oben dabei zu sein. Zugegeben, fast alle, die im Orbit arbeiten, sind dabei, weil SCALE so viele Leute braucht, sogar EVA-Noobs wie mich. Trotzdem cool...
"Chrzz, dir ist klar, dass da unten der Betrieb steht". "Klar, bin unterwegs" antworte ich.
----
SCALE reduziert die Sonnenstrahlung ohne Schatten zu werfen. Das erreicht man durch eine filigrane Strukturierung der Flächen und durch absichtlich herbeigeführte Beugungseffekte an den Rändern. Speziell achtet man darauf, dass kein Schlagschatten entsteht, damit auf der Erde nicht plötzlich mitten am Tag die Sonne verschwindet, wie bei einer Sonnenfinsterns. Die Gitter sind beweglich und steuerbar, um gezielt einzelne Regionen der Erde abzuschatten. Durch die aktive Steuerung kann man Hitzewellen abmildern, die Verdunstung über dem Meer verstärken und in trockenen Gebieten für mehr Niederschlag sorgen.
Beim Design wird außerdem darauf geachtet, dass SCALE nicht missbraucht werden kann. Bei der Konstruktion werden Sicherungen eingebaut, um zu verhindern, dass Sonnenstrahlung auf einzelne Stellen fokussiert werden kann. Die maximale regionale Verstärkung der Solarkonstante beträgt 2%. Die maximale Abschwächung der Strahlung 10%.
Die meisten Elemente von SCALE werden in lunaren Fabriken hergestellt. Millionen Tonnen Titan und Aluminium werden dort zu Gitterstrukturen und Folie verarbeitet. Der Rohstoffabbau auf dem Mond wird stark ausgeweitet. Noch auf der Mondoberfläche erzeugen Raffinerien Rohaluminium und Titan. Das Material wird dann in den Mondorbit geschossen und zu SCALE-Elementen weiterverarbeitet. Nach dem Transport zum L1-Punkt entfalten sich die Stabilisierungsgitter. Ferngesteuerte Manipulatoren beschichten die Gitterstrukturen mit sehr dünnen Aluminiumfolien. Einzelne Elemente sind mehrere Quadratkilometer groß und nur wenige hundert Tonnen schwer. Sie müssen in der Schwerelosigkeit nicht viel Gewicht aushalten. Nur der Sonnenwind und der Strahlungsdruck üben Kräfte aus.
Die Flächen wirken wie Lichtsegel. Sie werden deshalb langsam von der Sonne in Richtung Erde gedrückt. Um das auszugleichen, ist die Position von SCALE etwas näher an der Sonne, wo die Schwerkraft der Sonne die der Erde überwiegt und die geringe Anziehung den Lichtsegel-Effekt kompensiert. Die Elemente halten ihre Position selbständig. Sie regeln den Ausgleich zwischen Sonnenanziehung und Strahlungsdruck indem sie einzelne Flächen kippen. Dadurch können sie sogar lateral driften und sich am L1-Punkt seitlich verschieben. Sie können sich zu größeren Gruppen zusammenschließen oder in offener Formation fliegen, je nach geplantem Schattenprofil.
SCALE gibt sehr vielen Menschen und Organisationen im weiten Erdorbit Arbeit. Die gesamte Arbeitskraft im HEO (High Earth Orbit) wird von SCALE in Anspruch genommen. Zeitweise kommt der Ausbau von L4/L5-Kolonien zum Stillstand.
Montagedrohnen leisten die Hauptarbeit. Die Drohnen werden von Ingenieuren aus Montagehubs ferngesteuert. Für die meisten Tätigkeiten brauchen die Drohnen keine menschliche Steuerung. Sie werden für ihre Aufgaben programmiert. Dann arbeiten sie selbständig und senden Fortschrittsberichte und Bilder an die Zentrale. Nur in Ausnahmefällen, bei Problemen oder Unfällen, müssen menschliche Operateure direkt eingreifen. Auch dafür werden Drohnen benutzt. Ganz selten muss jemand im Raumanzug raus, um vor Ort ein Problem zu lösen.
Der Bauplatz ist riesig. Noch nie hat die Menschheit eine so große Struktur gebaut. Zu jeder Zeit arbeiten tausende Konstruktionsdrohnen im Rahmen ihrer adaptiven Programmierung selbständig am Projekt. Und obwohl die Technologie automatischer Steuerungen und Problemlösungen inzwischen weit entwickelt ist, sorgt allein die Größe des Projekts dafür, dass immer irgendwo Menschen eingreifen müssen.
Die Lichtverzögerung von 5 Sekunden zwischen L1 und der Erde ist zu groß, als dass man alles ferngesteuert machen kann. 100 Ingenieure sind vor Ort, um auf unerwartete Situationen zu reagieren. Für sie werden bei L1 neue Habitate gebaut. Einschließlich Betriebspersonal für die Habitate und Logistikspezialisten für den Materialfluss arbeiten über 200 Menschen bei L1. Das ist fast ein Viertel der gesamten interplanetaren Bevölkerung. Aber nur 10 Menschen sind im "Außendienst" mit EVA-Aktivitäten beschäftigt. Fast alles läuft automatisch ab. Die Menschen konzentrieren sich auf wenige Habitate und Montagehubs. Auf Millionen Quadratkilometern gibt es nur automatische Drohnen. Zwischen den Einsatzorten von Menschen liegen typischerweise 1000 Kilometer.
---- EVA (Extra Vehicular Activity) Außeneinsatz ----
"Zentrale, Spezialist Amadi auf EVA 49-05-B in Position BG/53", melde ich, "Kameradrohnen sind online, Telemetrie auf GO, bitte bestätigen." – "Chrzz, bestätige, Kamera und Telemetrie kommen rein."
Ich schwebe direkt vor einer kilometergroßen Schattenblende, eine von Millionen. Aus der Entfernung wirken sie wie ebene Flächen. Aber aus der Nähe sieht man ihre Struktur, die Streben, die elektromechanischen Gelenke. Das Aluminimum der Schattenblenden ist nicht durchgehend. Es hat unzählige Ausschnitte wo Sonnenlicht durchkommt. Wie wenn man mit einer 10 Meter großen Plätzchenform vierblättrige Kleeblätter aus der Aluminiumfolie ausgestanzt hat. Eins nach dem anderen, kilometerweit. Die Ausschnitte sind so geformt, dass Sonnenlicht in den Schatten hineingebeugt wird, damit nirgends ein Kernschatten entsteht und vor allem damit nicht aus Versehen zu viel Licht auf eine Stelle gelenkt wird. Das hätte fatale Folgen für die betroffene Region auf der Erde. Ein Superbrennstrahl. Dagegen gibt es viele Sicherungen, optisch, mechanisch und digital. Die ganze Konstruktion ist so gemacht, dass nichts passieren kann.
Jedenfalls – ein Test an einer gerade fertiggestellten Blende war mit einem Fehler abgebrochen. Die Drohnen konnten den Fehler nicht finden. Die Debugger-KI meint, es liegt kein Fehler vor. Alles nach Spezifikation. Aber trotzdem geht die Blende nicht mehr in die Ausgangslage zurück. Also muss jemand raus und nachsehen. Und hier bin ich. Ich drifte näher an das klemmende Element.
"Zentrale, hier ist ein Panel abgebogen. Ich sehe mir das mal genauer an." – "Chrzz, verstanden."
Ich hake meine Sicherungsleine an die nächste Strebe und ziehe mich an das fehlerhafte Element. Der Titanträger ist an der Stelle abgeknickt – aber ohne die typischen Knickfalten. Das sieht nicht wie ein Bruch aus. Eher wie eines der Piezogelenke. Als ob das so gedacht war. Mit der behandschuhten Hand schiebe ich das Ding wieder in die gerade Position. Das geht viel leichter, als wenn man eine verbogene Titanstange wieder geradebiegen will. Es ist tatsächlich ein Gelenk. Die Dinger sind so klein und in die Stangen integriert, dass man sie nur bemerkt, wenn man ganz genau hinschaut. Wenn es gerade ist, dann sieht man nur wo das glänzende Titan etwas matter wird. Da sitzen tausende Piezoaktuatoren hintereinander, die sich jeweils nur Bruchteile eines Grads bewegen. In der Summe erreichen sie bis zu 180 Grad. Aber was hat ein Gelenk hier zu suchen?
Mein Neuroimplantat blendet mir die Konstruktionspläne über das Livebild meiner Augen ein. Ich flippe durch die Ebenen. Diagramme wechseln sich ab: Makrostruktur, Elektrik, Sensoren, theoretischer mechanischer Stress, aktueller mechanischer Stress, elektromechanische Aktuatoren, Steuernetzwerk, Sensornetzwerk... Moment, zurück. Beim Aktuatoren-Diagramm hätte an der Stelle hier eigentlich was erscheinen sollen. Aber da ist kein Gelenk verzeichnet. Das Ding ist nicht im Plan. Die KI behauptet, dass alles nach Plan gebaut ist. Hat sie einen anderen Bauplan?
Ich ziehe mich an der Querstrebe ein paar Meter weiter und sehe mir dabei den Titanträger genau an. Zehn Meter weiter ist wieder eine Stelle an der das glänzende Titan auf ein paar Zentimeter Länge etwas matter wird. Noch ein Gelenk. Dann noch eins. WTF. Laut Plan gibt es nur ein Gelenk. Das sitzt genau in der Mitte der 1000 Meter breiten Sonnenblende. Es dient dazu, die Blende zu kippen, damit sie sich wie ein Lichtsegel seitlich bewegt. Allerdings gibt es auch Blenden mit Spezialfunktionen. Die haben andere Konfigurationen: Stromgeneratoren mit Solarzellen, Backup-Module, Lichtsegel-Traktoren, Express-Module. Express-Module haben viele Gelenke. Aber dafür keine Kleeblattstruktur.
"Ähm, Zentrale, hier ist was komisch." – "Chrzz, Jomo, geht es genauer?"
"Hier sind viele Gelenke. Eins war gebogen." – "Chrzz, das passt. Das ist ein Express-Modul mit Jalousie-Funktion."
"Verstanden." – "Chrzz, gut, dass du das geklärt hast. Komm wieder rein."
"Verstanden."
"Sie sind nicht auf meinem Plan!" – Pause – "Chrzz, Spezialist Amadi, brechen Sie ab. Der Einsatz ist beendet. Das ist ein Befehl."
"Verstanden." – Ist ja gut, ich komme.
Aber das hier ist kein Jalousie-Modul, sondern eine Standardblende mit dem normalen inversen Kleeblattmuster. Express-Jalousie-Module sind durchgehend, ohne Öffnungen, ohne Kleeblätter. Das passt überhaupt nicht. WTF.
Hm, Gelenke in 10 Meter Abstand. Mal davon abgesehen, dass die Express-Module ein 50 Meter Raster haben. Wenn man die inversen Kleeblätter durch Abwinkeln verkürzt, dann wirkt das Muster nicht mehr zerstreuend. Es kann auch fokussieren, je nachdem, welche effektive Länge durch den Winkel... OMG. Es könnte eine Meta-Linse sein.
Während meines Mechatronik-Studiums in Addis Abeba im Seminar Nichtlineare Optik haben wir viele Beugungseffekte mit Metamaterialien durchgerechnet. Normalerweise sind Meta-Optiken sehr klein und für das Nahfeld gedacht. Aber wenn man das Ganze um eine Milliarde hochskaliert, dann bekommt man den gleichen Effekt mit makroskopischer Strukturierung und einer Million Kilometer Abstand. OMG. Jemand baut hier draußen vielleicht riesige fokussierende Meta-Optiken. Genau das, was das Design eigentlich verhindern soll.
"Zentrale, könnt Ihr mal simulieren, ob die projektive Verkürzung der Standardstruktur auf L1-Distanz fokussierend wirkt?"
Wenn das Absicht ist, dann missbraucht jemand SCALE, um ein Millionen Quadratkilometer großes Brennglas zu bauen. Man muss nur an den richtigen Stellen mehr Piezogelenke einbauen. Eine kleine Änderung im Bauplan. Die Autofabs stellen das dann automatisch her. Die Änderung ist fast unsichtbar, nur im Plan-Overlay zu sehen. Und wenn jemand ganz nahe herangeht, wie ich heute.
Im Augenwinkel sehe ich eine Bewegung, eine Reflexion ... Moment mal, bewegt sich die Blende? Oder ist es meine Relativbewegung. Man schwebt ja nie wirklich still. Deshalb die Sicherungsleine.
Jedenfalls – ich habe es nur gemerkt, weil die Gelenke nicht in meinen Plänen sind. Mein Implantat bekommt momentan seine Daten vom Anzug. Der Anzug-Controller reagiert immer so langsam, also ob er überlastet it. Ist das schon länger so? Hat er deshalb ein Update verpasst? Habe ich Pläne gesehen, die nicht für mich bestimmt waren? Ich sollte echt mal den Controller checken.
"Chrzz, tut mir leid Jomo. Du hättest echt mal den Controller checken sollen." – "Zentrale, stimmt. Was tut dir leid?"
Wieder ein Reflex. Ich sehe hoch. Eine Linie quer über die ganze Blende. Da läuft eine Welle über die Gitterstruktur. Ziemlich groß, wenn man das von hier sehen kann. Und kommt schnell näher. Zum Glück bin ich nicht fest verbunden mit dem Gitter. Nur über die Leine. Ups, die hat fast kein Spiel mehr, weil ich 30 Meter vom Kontaktpunkt weg bin, Anfängerfehler ... verdammt. Gleißendes Licht. Dunkelheit.
---- EVA Ende ----
Ein Jahr vor der geplanten Inbetriebnahme wird ein Techniker bei einem Unfall während eines EVA-Einsatzes getötet. Er überwacht persönlich einen Funktionstest bei dem die Blenden verschiedene Abschattungsprofile durchspielen sollen. Dabei zeigen einige Module Resonanzfrequenzen für die die Schwingungsdämpfung nicht ausgelegt ist. Der Anzug des Technikers ist über eine Sicherungsleine an einer Gitterstruktur befestigt. Unglücklicherweise bewirkt die Schwingung einen Ruck der Sicherungsleine, bei dem der Anzug an einen Träger geschleudert wird. Die dabei auftretenden Beschleunigungswerte sind letal. Die oszillierenden Segmente werden später durch Wartungsdrohnen unter Kontrolle gebracht.
#Ökologie #Technologie #Interplanetar #Verschwörung
http://jmp1.de/h2135
Es gibt fünf Lagrange Punkte an denen sich die Schwerkraft von Sonne und Erde aufheben. Einer davon, der L1 Punkt, liegt genau zwischen Sonne und Erde in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde. Objekte bleiben dort auch ohne Antrieb für lange Zeit am selben Ort.
Im Rahmen des SCALE Programms werden am L1 Punkt riesige Schattenblenden aus Aluminiumfolie aufgespannt. Im Lauf von 15 Jahren entsteht eine Fläche von drei Millionen Quadratkilometern. Das sind etwa zwei Prozent der Fläche der Erde von der Sonne aus gesehen. Damit kann man die Sonneneinstrahlung auf die Erde um zwei Prozent reduzieren und das reicht, um die globale Temperatur ein paar Grad abzusenken.
---- EVA (Extra Vehicular Activity) Außeneinsatz ----
Gleißendes Sonnenlicht. Dunkelheit. Dann regelt sich das adaptive Visier langsam ein. Ich sehe wieder was. Auch wenn alles gerade hinter dem Nachbild verschwindet, das die Sonne auf meiner Retina hinterlassen hat. Die Transparenzsteuerung des Visiers hat wieder zu langsam reagiert. Ich muss echt mal den Controller checken. Und ich sollte endlich lernen, nicht genau in Richtung Sonne zu sehen, wenn sich die Luke öffnet. Anfängerfehler. So kann ich nicht raus. Kurz warten, bis sich die Augen beruhigt haben.
"Chrzz" meldet sich die Audioverbindung, "Jomo, was ist los?". "Augen anpassen", antworte ich in der Hoffnung, dass mein kleines Missgeschick nicht auffällt. "Aha" kommt es von der anderen Seite, "du musst echt mal den Controller checken". Tja, meiner Einsatzleiterin Kuki Nguya entgeht nichts. Ist ja auch gut so. Also dann los.
Ich hangle mich am Handlauf vorwärts und gleite durch die Luke nach draußen. Nach einer Drehung habe ich wieder einmal die größte Wand des Sonnensystems vor mir. Wir sind am Habitat III, ein paar Kilometer vor den Schattenblenden auf der Sonnenseite. In alle Richtungen breiten sich die Blenden aus, über tausende Kilometer. Ein majestätischer Anblick. Der Beweis, dass die Menschen nicht aufgeben, dass es immer eine Lösung gibt. Auch für globale Probleme, wie die Erderwärmung. Ein Triumph menschlicher Ingenieurskunst. Ich bin ein bisschen stolz hier oben dabei zu sein. Zugegeben, fast alle, die im Orbit arbeiten, sind dabei, weil SCALE so viele Leute braucht, sogar EVA-Noobs wie mich. Trotzdem cool...
"Chrzz, dir ist klar, dass da unten der Betrieb steht". "Klar, bin unterwegs" antworte ich.
----
SCALE reduziert die Sonnenstrahlung ohne Schatten zu werfen. Das erreicht man durch eine filigrane Strukturierung der Flächen und durch absichtlich herbeigeführte Beugungseffekte an den Rändern. Speziell achtet man darauf, dass kein Schlagschatten entsteht, damit auf der Erde nicht plötzlich mitten am Tag die Sonne verschwindet, wie bei einer Sonnenfinsterns. Die Gitter sind beweglich und steuerbar, um gezielt einzelne Regionen der Erde abzuschatten. Durch die aktive Steuerung kann man Hitzewellen abmildern, die Verdunstung über dem Meer verstärken und in trockenen Gebieten für mehr Niederschlag sorgen.
Beim Design wird außerdem darauf geachtet, dass SCALE nicht missbraucht werden kann. Bei der Konstruktion werden Sicherungen eingebaut, um zu verhindern, dass Sonnenstrahlung auf einzelne Stellen fokussiert werden kann. Die maximale regionale Verstärkung der Solarkonstante beträgt 2%. Die maximale Abschwächung der Strahlung 10%.
Die meisten Elemente von SCALE werden in lunaren Fabriken hergestellt. Millionen Tonnen Titan und Aluminium werden dort zu Gitterstrukturen und Folie verarbeitet. Der Rohstoffabbau auf dem Mond wird stark ausgeweitet. Noch auf der Mondoberfläche erzeugen Raffinerien Rohaluminium und Titan. Das Material wird dann in den Mondorbit geschossen und zu SCALE-Elementen weiterverarbeitet. Nach dem Transport zum L1-Punkt entfalten sich die Stabilisierungsgitter. Ferngesteuerte Manipulatoren beschichten die Gitterstrukturen mit sehr dünnen Aluminiumfolien. Einzelne Elemente sind mehrere Quadratkilometer groß und nur wenige hundert Tonnen schwer. Sie müssen in der Schwerelosigkeit nicht viel Gewicht aushalten. Nur der Sonnenwind und der Strahlungsdruck üben Kräfte aus.
Die Flächen wirken wie Lichtsegel. Sie werden deshalb langsam von der Sonne in Richtung Erde gedrückt. Um das auszugleichen, ist die Position von SCALE etwas näher an der Sonne, wo die Schwerkraft der Sonne die der Erde überwiegt und die geringe Anziehung den Lichtsegel-Effekt kompensiert. Die Elemente halten ihre Position selbständig. Sie regeln den Ausgleich zwischen Sonnenanziehung und Strahlungsdruck indem sie einzelne Flächen kippen. Dadurch können sie sogar lateral driften und sich am L1-Punkt seitlich verschieben. Sie können sich zu größeren Gruppen zusammenschließen oder in offener Formation fliegen, je nach geplantem Schattenprofil.
SCALE gibt sehr vielen Menschen und Organisationen im weiten Erdorbit Arbeit. Die gesamte Arbeitskraft im HEO (High Earth Orbit) wird von SCALE in Anspruch genommen. Zeitweise kommt der Ausbau von L4/L5-Kolonien zum Stillstand.
Montagedrohnen leisten die Hauptarbeit. Die Drohnen werden von Ingenieuren aus Montagehubs ferngesteuert. Für die meisten Tätigkeiten brauchen die Drohnen keine menschliche Steuerung. Sie werden für ihre Aufgaben programmiert. Dann arbeiten sie selbständig und senden Fortschrittsberichte und Bilder an die Zentrale. Nur in Ausnahmefällen, bei Problemen oder Unfällen, müssen menschliche Operateure direkt eingreifen. Auch dafür werden Drohnen benutzt. Ganz selten muss jemand im Raumanzug raus, um vor Ort ein Problem zu lösen.
Der Bauplatz ist riesig. Noch nie hat die Menschheit eine so große Struktur gebaut. Zu jeder Zeit arbeiten tausende Konstruktionsdrohnen im Rahmen ihrer adaptiven Programmierung selbständig am Projekt. Und obwohl die Technologie automatischer Steuerungen und Problemlösungen inzwischen weit entwickelt ist, sorgt allein die Größe des Projekts dafür, dass immer irgendwo Menschen eingreifen müssen.
Die Lichtverzögerung von 5 Sekunden zwischen L1 und der Erde ist zu groß, als dass man alles ferngesteuert machen kann. 100 Ingenieure sind vor Ort, um auf unerwartete Situationen zu reagieren. Für sie werden bei L1 neue Habitate gebaut. Einschließlich Betriebspersonal für die Habitate und Logistikspezialisten für den Materialfluss arbeiten über 200 Menschen bei L1. Das ist fast ein Viertel der gesamten interplanetaren Bevölkerung. Aber nur 10 Menschen sind im "Außendienst" mit EVA-Aktivitäten beschäftigt. Fast alles läuft automatisch ab. Die Menschen konzentrieren sich auf wenige Habitate und Montagehubs. Auf Millionen Quadratkilometern gibt es nur automatische Drohnen. Zwischen den Einsatzorten von Menschen liegen typischerweise 1000 Kilometer.
---- EVA (Extra Vehicular Activity) Außeneinsatz ----
"Zentrale, Spezialist Amadi auf EVA 49-05-B in Position BG/53", melde ich, "Kameradrohnen sind online, Telemetrie auf GO, bitte bestätigen." – "Chrzz, bestätige, Kamera und Telemetrie kommen rein."
Ich schwebe direkt vor einer kilometergroßen Schattenblende, eine von Millionen. Aus der Entfernung wirken sie wie ebene Flächen. Aber aus der Nähe sieht man ihre Struktur, die Streben, die elektromechanischen Gelenke. Das Aluminimum der Schattenblenden ist nicht durchgehend. Es hat unzählige Ausschnitte wo Sonnenlicht durchkommt. Wie wenn man mit einer 10 Meter großen Plätzchenform vierblättrige Kleeblätter aus der Aluminiumfolie ausgestanzt hat. Eins nach dem anderen, kilometerweit. Die Ausschnitte sind so geformt, dass Sonnenlicht in den Schatten hineingebeugt wird, damit nirgends ein Kernschatten entsteht und vor allem damit nicht aus Versehen zu viel Licht auf eine Stelle gelenkt wird. Das hätte fatale Folgen für die betroffene Region auf der Erde. Ein Superbrennstrahl. Dagegen gibt es viele Sicherungen, optisch, mechanisch und digital. Die ganze Konstruktion ist so gemacht, dass nichts passieren kann.
Jedenfalls – ein Test an einer gerade fertiggestellten Blende war mit einem Fehler abgebrochen. Die Drohnen konnten den Fehler nicht finden. Die Debugger-KI meint, es liegt kein Fehler vor. Alles nach Spezifikation. Aber trotzdem geht die Blende nicht mehr in die Ausgangslage zurück. Also muss jemand raus und nachsehen. Und hier bin ich. Ich drifte näher an das klemmende Element.
"Zentrale, hier ist ein Panel abgebogen. Ich sehe mir das mal genauer an." – "Chrzz, verstanden."
Ich hake meine Sicherungsleine an die nächste Strebe und ziehe mich an das fehlerhafte Element. Der Titanträger ist an der Stelle abgeknickt – aber ohne die typischen Knickfalten. Das sieht nicht wie ein Bruch aus. Eher wie eines der Piezogelenke. Als ob das so gedacht war. Mit der behandschuhten Hand schiebe ich das Ding wieder in die gerade Position. Das geht viel leichter, als wenn man eine verbogene Titanstange wieder geradebiegen will. Es ist tatsächlich ein Gelenk. Die Dinger sind so klein und in die Stangen integriert, dass man sie nur bemerkt, wenn man ganz genau hinschaut. Wenn es gerade ist, dann sieht man nur wo das glänzende Titan etwas matter wird. Da sitzen tausende Piezoaktuatoren hintereinander, die sich jeweils nur Bruchteile eines Grads bewegen. In der Summe erreichen sie bis zu 180 Grad. Aber was hat ein Gelenk hier zu suchen?
Mein Neuroimplantat blendet mir die Konstruktionspläne über das Livebild meiner Augen ein. Ich flippe durch die Ebenen. Diagramme wechseln sich ab: Makrostruktur, Elektrik, Sensoren, theoretischer mechanischer Stress, aktueller mechanischer Stress, elektromechanische Aktuatoren, Steuernetzwerk, Sensornetzwerk... Moment, zurück. Beim Aktuatoren-Diagramm hätte an der Stelle hier eigentlich was erscheinen sollen. Aber da ist kein Gelenk verzeichnet. Das Ding ist nicht im Plan. Die KI behauptet, dass alles nach Plan gebaut ist. Hat sie einen anderen Bauplan?
Ich ziehe mich an der Querstrebe ein paar Meter weiter und sehe mir dabei den Titanträger genau an. Zehn Meter weiter ist wieder eine Stelle an der das glänzende Titan auf ein paar Zentimeter Länge etwas matter wird. Noch ein Gelenk. Dann noch eins. WTF. Laut Plan gibt es nur ein Gelenk. Das sitzt genau in der Mitte der 1000 Meter breiten Sonnenblende. Es dient dazu, die Blende zu kippen, damit sie sich wie ein Lichtsegel seitlich bewegt. Allerdings gibt es auch Blenden mit Spezialfunktionen. Die haben andere Konfigurationen: Stromgeneratoren mit Solarzellen, Backup-Module, Lichtsegel-Traktoren, Express-Module. Express-Module haben viele Gelenke. Aber dafür keine Kleeblattstruktur.
"Ähm, Zentrale, hier ist was komisch." – "Chrzz, Jomo, geht es genauer?"
"Hier sind viele Gelenke. Eins war gebogen." – "Chrzz, das passt. Das ist ein Express-Modul mit Jalousie-Funktion."
"Verstanden." – "Chrzz, gut, dass du das geklärt hast. Komm wieder rein."
"Verstanden."
"Sie sind nicht auf meinem Plan!" – Pause – "Chrzz, Spezialist Amadi, brechen Sie ab. Der Einsatz ist beendet. Das ist ein Befehl."
"Verstanden." – Ist ja gut, ich komme.
Aber das hier ist kein Jalousie-Modul, sondern eine Standardblende mit dem normalen inversen Kleeblattmuster. Express-Jalousie-Module sind durchgehend, ohne Öffnungen, ohne Kleeblätter. Das passt überhaupt nicht. WTF.
Hm, Gelenke in 10 Meter Abstand. Mal davon abgesehen, dass die Express-Module ein 50 Meter Raster haben. Wenn man die inversen Kleeblätter durch Abwinkeln verkürzt, dann wirkt das Muster nicht mehr zerstreuend. Es kann auch fokussieren, je nachdem, welche effektive Länge durch den Winkel... OMG. Es könnte eine Meta-Linse sein.
Während meines Mechatronik-Studiums in Addis Abeba im Seminar Nichtlineare Optik haben wir viele Beugungseffekte mit Metamaterialien durchgerechnet. Normalerweise sind Meta-Optiken sehr klein und für das Nahfeld gedacht. Aber wenn man das Ganze um eine Milliarde hochskaliert, dann bekommt man den gleichen Effekt mit makroskopischer Strukturierung und einer Million Kilometer Abstand. OMG. Jemand baut hier draußen vielleicht riesige fokussierende Meta-Optiken. Genau das, was das Design eigentlich verhindern soll.
"Zentrale, könnt Ihr mal simulieren, ob die projektive Verkürzung der Standardstruktur auf L1-Distanz fokussierend wirkt?"
Wenn das Absicht ist, dann missbraucht jemand SCALE, um ein Millionen Quadratkilometer großes Brennglas zu bauen. Man muss nur an den richtigen Stellen mehr Piezogelenke einbauen. Eine kleine Änderung im Bauplan. Die Autofabs stellen das dann automatisch her. Die Änderung ist fast unsichtbar, nur im Plan-Overlay zu sehen. Und wenn jemand ganz nahe herangeht, wie ich heute.
Im Augenwinkel sehe ich eine Bewegung, eine Reflexion ... Moment mal, bewegt sich die Blende? Oder ist es meine Relativbewegung. Man schwebt ja nie wirklich still. Deshalb die Sicherungsleine.
Jedenfalls – ich habe es nur gemerkt, weil die Gelenke nicht in meinen Plänen sind. Mein Implantat bekommt momentan seine Daten vom Anzug. Der Anzug-Controller reagiert immer so langsam, also ob er überlastet it. Ist das schon länger so? Hat er deshalb ein Update verpasst? Habe ich Pläne gesehen, die nicht für mich bestimmt waren? Ich sollte echt mal den Controller checken.
"Chrzz, tut mir leid Jomo. Du hättest echt mal den Controller checken sollen." – "Zentrale, stimmt. Was tut dir leid?"
Wieder ein Reflex. Ich sehe hoch. Eine Linie quer über die ganze Blende. Da läuft eine Welle über die Gitterstruktur. Ziemlich groß, wenn man das von hier sehen kann. Und kommt schnell näher. Zum Glück bin ich nicht fest verbunden mit dem Gitter. Nur über die Leine. Ups, die hat fast kein Spiel mehr, weil ich 30 Meter vom Kontaktpunkt weg bin, Anfängerfehler ... verdammt. Gleißendes Licht. Dunkelheit.
---- EVA Ende ----
Ein Jahr vor der geplanten Inbetriebnahme wird ein Techniker bei einem Unfall während eines EVA-Einsatzes getötet. Er überwacht persönlich einen Funktionstest bei dem die Blenden verschiedene Abschattungsprofile durchspielen sollen. Dabei zeigen einige Module Resonanzfrequenzen für die die Schwingungsdämpfung nicht ausgelegt ist. Der Anzug des Technikers ist über eine Sicherungsleine an einer Gitterstruktur befestigt. Unglücklicherweise bewirkt die Schwingung einen Ruck der Sicherungsleine, bei dem der Anzug an einen Träger geschleudert wird. Die dabei auftretenden Beschleunigungswerte sind letal. Die oszillierenden Segmente werden später durch Wartungsdrohnen unter Kontrolle gebracht.
#Ökologie #Technologie #Interplanetar #Verschwörung
http://jmp1.de/h2135
3131 Entdeckung der interstellaren Ruinen des legendären Solemischen Reichs
Forscher von M'kele entdecken Ruinen des legendären Solemischen Reichs. Finanziert und geleitet wird die Gruppe von Ghislaine Tsibinda et Abo ne Umlambo einem wohlhabenden Autodidakten von M'kele, der sich intensiv mit den Legenden interstellarer Nachbarvölker beschäftigte. Tsibinda fand Hinweise auf verschollene interstellare Ruinen des legendären Reichs. Nach einer langen Suche entdecken die Forscher um Tsibinda schließlich riesige Infrastrukturcluster im interstellaren Raum, die schon vor langer Zeit aufgegeben wurden.
Mit der Entdeckung wird eines der großen Rätsel der modernen Geschichtswissenschaft gelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt waren fast keine Relikte des Solemischen Reichs gefunden worden, obwohl das Reich im lokalen Sektor Jahrtausende geherrscht hatte. Historiker gingen davon aus, dass die jeweiligen Nachfolgemächte die Infrastruktur übernommen und im Lauf der Zeit verändert haben. Tsibindas Entdeckung beweist, dass das Solemische Reich die meisten Mittel im interstellaren Raum bündelte, weitab von Sonnen und bewohnbaren Planeten. Die Installationen waren in der Nähe von Irrläuferplaneten und braunen Zwergen, die als Rohstoffquellen dienten. Die Konstruktionen waren riesig, aber ohne genaue Koordinaten verlieren sie sich im interstellaren Raum.
Warum sich diese Zivilisation von Sonnen fernhielt, ist nicht geklärt. Aber für eine High-Tech Zivilisation ist die Nähe zu einer Sonne nicht wichtig. Energie ist im Überfluss vorhanden, wenn es eine Wasserstoffquelle gibt, wie einen Eisriesen einen braunen Zwerg. Ein Leben im interstellaren Raum ist gar nicht so ungewöhnlich. Schon seit über 500 Jahren kennen die Menschen den Mansalu-Komplex. Ein Großteil der Mansalu lebt im interstellaren Raum.
Bei vielen Völkern gibt es mobile Habitate, die sich vor allem im interstellaren Raum aufhalten. Sie "ankern" an Einzelgängerplaneten und besuchen gelegentlich Sonnensysteme. Einige sind sehr groß, manchmal hundert Kilometer und von vielen Millionen Individuen bewohnt. Sie sind wirtschaftlich autark und sind eigene kleine Welten. Viele dieser Habitate sehen die hohe Dichte planetarer Systeme eher als Risiko, denn als Bereicherung an. Die Besonderheit im Fall des Solemischen Reichs ist, dass sich fast die gesamte Zivilisation im interstellaren Leerraum befand.
Ghislaine Tsibinda beginnt seine berufliche Karriere 2780 als Effizienzmanager bei Logistikdienstleistern im M'kele Orbit, wo er die automatische Optimierung von Dockingprozeduren überwacht. Er durchläuft verschiedene Stationen bis er schließlich 2890 Haupthafenmeister des Morogoro-Terminals wird. Damit ist er verantwortlich für die Abwicklung von 30% des Handelsvolumens im System.
Es ist eine schwierige Zeit. Das interstellare Frachtaufkommen geht zurück, weil die Handelswege unsicher werden und Märkte verlorengehen. Wenige Jahre später gerät sogar das Solsystem unter Fremdherrschaft und fällt damit als Handelspartner für M'kele aus. Tsibinda behält seine Stellung bis in die Zeit der Rückeroberung im Solsystem und setzt sich Anfang des 31. Jahrhunderts zur Ruhe, um seinem Hobby nachzugehen.
Schon sehr lange hatte er sich mit Legenden verschiedener interstellarer Völker beschäftigt. Sein besonderes Interesse gilt dem legendären Solemischen Reich in einem Zeitraum von vor 7000 bis 10000 Jahren. Aus dieser Zeit gibt es fast keine digitalen Aufzeichnungen. Die meisten Daten sind im dunklen Zeitalter nach dem Ende des Mercato-Imperiums verlorengegangen. Es gibt aber Sagen und Legenden bei Völkern, die schon vor 7000 Jahren (ca. 4000 v.Chr.) eine raumfahrende Zivilisation hatten.
Nach dem plötzlichen Ende des Mercato-Imperiums um 3700 v. Chr., stürzte der Sektor in ein dunkles Zeitalter. Die betroffenen Völker verloren den größten Teil ihrer technologischen Fähigkeiten. Neo-Barbaren, Hochzivilisationen und Völker mit inkompatiblen Moralsystemen gerieten in Konflikt. Die Auseinandersetzungen kosteten viel Kraft. Schutz vor Überfällen und Rüstung gegen die Nachbarn verbrauchten wertvolle Ressourcen. Oft waren die Bemühungen nicht langfristig erfolgreich. Systeme, Völker und Fraktionen versuchten sich zu behaupten, auch auf Kosten der Nachbarn. Über 1000 Jahre entstand keine stabilisierende Macht.
Kisor traf es besonders hart. Kisor verlor den kompletten Technologiebaum jenseits von einfachen Elektromotoren. Alle Datentechnik war verloren. Kein Spin-Rechner, kein Assoziativspeicher überdauerte die 3000 Jahre bis Kisor sich erholt. Die Gesellschaft war lange Zeit archaisch, mit einer kuriosen Mischung aus Mittelalter-Technologie und Neuzeit. Es gab Schießpulver, Buchdruck und – für wohlhabende Leute – elektrisches Licht. Aber trotzdem war für die meisten Kisori der Alltag eher geprägt durch manuelle Arbeit, Karren mit Holzrädern und wasserkraftbetriebene Mühlen. In dieser Zeit lebte die Vergangenheit fort in Legenden, die oft mündlich überliefert wurden.
Später im neuen interplanetaren Zeitalter findet man auf Asteroiden und Monden des Kisor Systems uralte Außenposten, die die Zerstörungen und die lange Zeit überdauert haben. Dort gibt es noch funktionstüchtige Informationstechnik, vor allem automatische Steuerungen. Die neuen Kisori entdecken sogar zivile Datenspeicher mit – für sie damals schon – uralten Unterhaltungs- und Informationsprogrammen. Vor dieser Entdeckung kannten sie ihre Vorläuferzivilisation nur aus Legenden. Während des kisorischen Neubeginns (ca. 400 v.Chr.) waren diese schon über 3000 Jahre alt.
Eine der bekanntesten Geschichten aus dieser Zeit sind die "Reisen von Uri Tza Meka". Sie erzählen die Abenteuer von Uri Tza Meka in den Wolkenwelten. Wie er vom einfachen Elektrolehrling zum Helden wird, wie er das Wolkenreich und damit auch seine Heimat rettet. Er kehrt als König zurück. Aber in seiner Rückkehr liegt auch die Saat des Untergangs. Uri Tza Meka kämpft gegen feindliche Himmelsvölker doch schließlich stürzen diese den Himmel auf die Erde. Uri Tza Meka versucht vergeblich die Reste des Königreichs zusammenzuhalten. Es ist der klassische kisorische Schicksalsbogen. Der Aufstieg einer unbedeutenden Figur zum Helden und der darauffolgende Abstieg bis zum Untergang. Während irdische Heldengeschichten meistens am Höhepunkt enden (die sogenannte "Heldenreise") kennt die kisorische Kultur eher den Schicksalsbogen mit einem unerwarteten Aufstieg und einem bitteren, aber unvermeidlichen Ende.
In der irdischen Literatur kann der einfache Bauernsohn zum Helden werden und die Prinzessin heiraten. Der Weg dahin ist gefährlich, aber das Happy End ist fast garantiert, auch wenn das gute Ende durch die Hervorhebung der Risiken immer wieder infrage gestellt wird. In der kisorischen Literatur folgt dem Aufstieg zwangsläufig auch ein Abstieg. Das fatale Ende des kisorischen Schicksalsbogens ist genauso sicher, wie das irdische Happy End. Aber der Weg bis dahin ist interessant. Der Kampf gegen die Übermacht und das Opfer auf verlorenem Posten sind starke Motive. Der heldenhafte Widerstand gegen das unvermeidliche Ende ist genauso wichtig wie der unwahrscheinliche Aufstieg am Beginn der Geschichte.
Die moderne kisorische Literaturwissenschaft geht davon aus, dass der Schicksalsbogen während des Untergangs und des langen kisorischen Mittelalters entstand. Kisor war mehrmals in der Geschichte mächtig und wohlhabend. Aber besonders nach der langen friedlichen Phase während des Solemischen Reichs und des sich anschließenden Mercato-Imperiums, kam der Abstieg überraschend. Für mehr als 3000 Jahre gehörte Kisor zur interstellaren Zivilisation. Dann verschwand das Mercato-Imperium plötzlich und ließ die Kisor-Planeten ungeschützt zurück. In kurzer Zeit wurde die technische Infrastruktur bei Überfällen und Plünderungen weitgehend zerstört. Dabei verloren 90 % der Bevölkerung ihr Leben. Der Technologielevel sank schnell auf einen mittelalterlichen Stand und die Bevölkerung in wenigen Generationen auf nur ein Tausendstel. Das war eine traumatische Erfahrung, die tiefe Spuren im kulturellen Gedächtnis hinterlassen hat. Während der Mittelalter-Katastrophe, während des Abstiegs und in Jahrhunderten vergeblicher Versuche, die Technologie wiederzubeleben, entstanden die Geschichten vom scheiternden Helden, von enttäuschten Hoffnungen und vom unvermeidlichen Abwärtstrend.
Nach diesem Muster laufen die "Reisen von Uri Tza Meka". Kisorische Literaturwissenschaftler und Historiker hielten Uri Tza Meka für eine reine Sagengestalt, die den Untergang symbolisiert. Aber Ghislaine Tsibinda ist fasziniert von der Figur. Er glaubt, dass Uri Tza Meka's Reisen auf wahren Ereignissen beruhen. Ghislaine Tsibinda deutet die Wolkenwelten, bzw. das Wolkenreich als das Mercato-Imperium. Uri Tza Meka war vermutlich ein Info-Designer oder KI-Manager. Für Zuhörer während des kisorischen Mittelalters war der Beruf Uri Tza Mekas übersetzt in die Bezeichnung "Elektrolehrling". Elektrizität überdauert in Nischen das Mittelalter und die Elektromagie war den damaligen Kisori vertraut. Uri Tza Meka steigt am kisorischen Königshof auf und macht Karriere in der Mercato-Hierarchie. Dann folgt die Rettung des Wolkenreichs, also des Mercato-Imperiums. Es ist nicht klar, ob es dafür eine reale Basis gibt. Vielleicht ist dieser Teil nur eine notwendige dramaturgische Wendung für den Aufstieg Uri Tza Mekas zum Helden. Uri Tza Meka kehrt zurück nach Kisor. Und damit beginnt – nach kisorischer Deutung – erst der wichtigste Teil der Geschichte.
Uri Tza Meka ist sehr mächtig. Der Legende nach hat er den Titel "König der irdischen Dinge". Vielleicht war er tatsächlich König der Kisori. Kisor war zu dieser Zeit eine Monarchie. 400 Jahre zuvor war das Königtum aus dem Amt des Statthalters für die Mercatos entstanden. Und die Bezeichnung "König der irdischen Dinge" könnte auf das Oberhaupt der Kisori hindeuten, im Gegensatz zum "König des Himmels", dem informellen Mercato-Herrscher, dem Mercato-Irun. Allerdings gibt es in den alten kisorischen Datenquellen, die im neuen interplanetaren Zeitalter wiederentdeckt werden, keinen Hinweis darauf, dass die Erbfolge zugunsten eines heldenhaften Seiteneinsteigers unterbrochen wurde. Es gibt Nachrichtenartikel mit vielen Details über die letzten Jahre vor der Mittelalter-Katastrophe. Diese Quellen geben den letzten Stand vor dem Untergang wieder und die damaligen Personen sind gut bekannt. Wahrscheinlicher ist, dass Uri Tza Meka auf Ministerebene angesiedelt war, zuständig für Verteidigung oder Technologie. Möglicherweise ist Uri Tza Meka identisch mit Isulisamikal, der letzten Hauptabteilungsleiterin für Fremdtechnologie im Wissenschaftsdirektorat. Das würde zur Karriere eines Kisori passen, der, bzw. die nach einer interstellaren Karriere mit Technologiebezug nach Kisor zurückkehrt.
Der Name Isulisamikal klingt heute ungewöhnlich für Kisori. Aber das uns vertraute 3-teilige Namensschema entstand erst im kisorischen Mittelalter. Und bei der Überlieferung wurden die Namen der Protagonisten an die Erwartungen der Zuhörer angepasst. So könnte aus der realen Kisori Isulisamikal das Heldenepos Uri Tza Meka entstanden sein. Davon ist jedenfalls Ghislaine Tsibinda überzeugt.
Niemand hatte sich vorher für Isulisamikal interessiert. Sie lebte vor 6700 Jahren und war nur eine von damals mehr als 80 Milliarden Kisori. Aber Tsibinda hält sie für den Schlüssel zum Verständnis der Legende. Er verwendet nicht nur die Legende als Quelle, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit Isulisamikals Lebenslauf und den Aktivitäten des damaligen Wissenschaftsdirektorats, soweit die uralten Quellen das zulassen.
Tsibinda sucht in den 20-er Jahren des 31. Jahrhunderts zuerst in öffentlich verfügbaren Datenbanken. Kisorische Historiker haben die wechselvolle Geschichte systematisch aufgearbeitet und alle Informationen aus früheren Epochen zusammengetragen. Dazu gehören riesige Mengen an Informationen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr., also aus der Blütezeit vor der Mittelalter-Katastrophe. Das Material stammt vor allem aus Unterhaltungs- und Informationsangeboten von interplanetaren Außenposten im Kisor-System. Fast ein kompletter Abzug des damaligen Wissensstands war vefügbar. In geringerem Umfang gab es auch Daten zu noch früheren Blütezeiten, zum Goldenen Reich Kisors vor 12000 Jahren und zum ersten Reich vor 15000 Jahren.
Aber inzwischen hatte Kisor ein weiterer Schicksalsschlag getroffen. Zur Zeit der Recherchen von Ghislaine Tsibinda sind die Kisor-Zwillinge nur noch Staubwüsten. Hundert Jahre vor Tsibindas Recherchen hatten Leccianer von Sol mithilfe von Söldnern anderer Völker einen religiös motivierten Vernichtungsfeldzug gegen Kisor geführt. Kisor war damals schon geschwächt durch die Auseinandersetzungen mit der Sol-basierten ersten Reshumanis. Einige Zeit nachdem Sol an die Leccianer fiel, führten die Leccianer einen Rachefeldzug gegen das Kisor-System. Der Krieg endete mit der kinetischen Bombardierung der zwei Planeten und der Auslöschung der modernen kisorischen Zivilisation.
Der Sturz in das kisorische Mittelalter vor 6700 Jahren war die Nebenwirkung einer rücksichtslosen Plünderung gewesen. Aber der Schlag der Dellianer gegen Kisor im Jahr 2924 geschah mit dem Vorsatz, die Kisori für den vorangegangenen Frevel zu bestrafen. Für Kisor war das eine noch größere Katastrophe als 6700 Jahre zuvor. Die zwei Planeten wurden vollständig sterilisiert. Und dabei gingen natürlich auch die ausführlichen historischen Archive verloren.
Ghislaine Tsibinda führt zwischen 3050 und 3070 mehrere Expeditionen zu ehemaligen militärischen Außenposten in der näheren interstellaren Umgebung Kisors. Er hofft, dass dort noch Datenbanken existieren, in denen er Teile der historischen Archive finden kann. Die Auslöschung 2924 kam nicht so überraschend, wie die Mittelalter-Katastrophe 6700 Jahre zuvor. Sie war eher das fatale Ende eines 100 Jahre langen Niedergangs mit immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen. Die Kisori hatten oft Grund, sich zu sorgen und Daten in Sicherheit zu bringen. Vielleicht gibt es auf den militärischen Außenposten Datensicherungen des kisorischen Informationsverbunds, die auch zufällig die historischen Archive enthalten. Und vielleicht interessierten sich kisorische Militärhistoriker des 30. Jahrhundert n.Chr. in verzweifelten Situationen für die Maßnahmen, mit denen ihr Volk 6700 Jahre vorher schon einmal versucht hatte, den Untergang abzuwenden. Das war zumindest die Idee.
Tatsächlich findet die Gruppe um Tsibinda einige Backups. Nur erweist sich der Zugang zu den Daten in der Praxis als schwierig. Fast alle verlassenen Stützpunkte sind geplündert oder die Informationstechnik wurde inzwischen anders verwendet. Daten, die Tsibinda findet, sind fast immer verschlüsselt. Militärische Verschlüsselungstechnik ist quantenhart und nicht wiederherstellbar. Die Schlüssel sind schon lange verschollen. Ein Stützpunkt, den Tsibinda dabei entdeckt, ist immer noch besetzt von Militärpersonal und die Bewohner sind nicht glücklich darüber, dass jemand sie aufgespürt hat. Die Besatzung dieses geheimen Stützpunkts hütet tatsächlich Backups der (erneut) untergegangenen kisorischen Zivilisation mit dem Ziel, sie später an die neuen Kisori zu übergeben, wenn die Heimatplaneten wieder besiedelt werden. Aber die Daten unterliegen auch 100 Jahre später noch militärischer Geheimhaltung. Lange Verhandlungen, vertrauensbildende Maßnahmen und geheime materielle Hilfe über mehrere Jahre sind nötig, um den kommandierenden Offizier umzustimmen.
Die Kisori bieten Ghislaine Tsibinda schließlich Zugang zu zivilen Daten, die früher im kisorischen Netz frei verfügbar waren. Dazu gehören Unterhaltungsprogramme einschließlich der alten Überlieferungen, Enzyklopädien, Technologiedatenbanken und historische Archive, die auch Teile der 6700 Jahre alten Quellen enthalten. Das ist bei Weitem nicht ein kompletter Datenabzug des Netzes, denn die Speicherkapazität des Stützpunkts ist viel kleiner als die des Originals. Es sind speziell ausgewählte Daten, aber trotzdem so viel, dass sie nicht einfach übertragen oder kopiert werden können. Vor Ort laufen automatische Klassifizierer, Daten-Miner und Assoziationsagenten monatelang über die Daten bis sich ein Bild der Verhältnisse kurz vor der Mittelalter-Katastrophe formt.
Die letzten Nachrichten vor der Katastrophe beschreiben eine verzweifelte Situation. Kisor lag im Mercato-Imperium, war aber politisch unabhängig nachdem sich die Kisor-Planeten von Abgaben freigekauft hatten. Das Mercato-Imperium sorgte für Frieden und Handel. Aber die Situation war nur scheinbar stabil. Mercatos gründen eigentlich keine eigenen Herrschaftsbereiche. Sie sind Händler, unterwegs in Sippenschiffen ohne Machtambition. Von Zeit zu Zeit erscheint ein Individuum mit besonderem Charisma, ein Hro. Zur Erwachsenenweihe eines solchen Wesens kommen tausende Sippenschiffe. Aus der Transformation zum erwachsenen Mercato kann dann eine Persönlichkeit hervorgehen, die alle anwesenden Sippen in seinen Bann zieht, ein Anführer der die sonst autarken Sippen vereint, ein sogenannter Irun. Dann ändert sich das Verhaltensmuster der Mercatos im ganzen Sektor. Genau das war vor ca. 7500 Jahren geschehen. Die Mercatos wurden aggressiv. Sie bekämpften das Solemische Reich und zerstörten dessen interstellare Infrastruktur.
Danach beherrschten Mercatos den Sektor für einige Jahrhunderte. Aber mit dem Tod des Irun nach ca. 700 Jahren verschwand das Mercato-Imperium von einem Moment auf den anderen. Es hinterließ einen wohlhabenden aber schutzlosen Sektor. Die Mercatos hatten bei den Völkern innerhalb ihres Einflussbereichs jegliche militärische Technologie unterdrückt. Für viele Völker, Fraktionen und Machtbereiche außerhalb der Mercato-Grenzen waren die reichen ehemaligen Mercato-Vasallen nun eine legitime Beute. Nicht alle Völker haben eine so hochstehende Moral, wie der kisorische Alturismus. Viele interstellare Völker sind kulturell oder sogar biologisch anders strukturiert und haben inkompatible Ethiksysteme. Anscheinend brach eine Welle von Erpressungen, Plünderungen und Angriffen über die ehemaligen Mercato-Vasallen herein. Und mitten darin befanden sich die zwei Kisor-Planeten. Die Angreifer sind nicht bekannt. Es gibt Hinweise auf Chinti-Schwärme und auf Raubzüge abtrünniger interianischer Personen. Aber die meisten Gegner sind nicht identifizierbar.
Die Nachrichten von vor 6700 Jahren sind dramatisch. Kisor wird immer wieder von bewaffneten Angreifern bedroht. Interplanetare Infrastruktur und planetare Ziele werden gewaltsam zerstört, mal als Warnung, mal als Bestrafung. Kisor ist hilflos und versucht eine Verteidigung aufzubauen, aber die Angriffe kommen in kurzen Abständen. Die planetaren Orbits werden besetzt. Der interplanetare Verkehr wird unterbunden und die Infrastruktur wird geplündert. Ständig kommen neue schreckliche Nachrichten. Parallel zu den verzweifelten Verteidigungsanstrengungen gibt es anscheinend eine Initiative des Wissenschaftsdirektorats, um die – damals 700 alte – solemische Militärtechnologie nutzbar zu machen. Das wird nirgends genau beschrieben. Aber aus der Kombination der Tatsachenberichte alter digitaler Quellen und der überlieferten Legenden lässt sich ableiten, dass irgendwann eine kleine Gruppe von kisorischen Akteuren überraschend mächtige militärische Mittel einsetzte und Angreifer zurückschlug. In der alten – modernen – Berichten gelingt es dem Wissenschaftsdirektorat mit Exotechnologie ein Verteidigungssystem aufzubauen. Man kann davon ausgehen, dass Isulisamikal, die damalige Hauptabteilungsleiterin für Fremdtechnologie beteiligt war.
In der neueren – archaischen – Erzählung reist Uri Tza Meka zu fernen Inseln auf der Suche nach feuerspeienden Ungeheuern (Menschen würden "Drachen" sagen), die der Überlieferung nach durch Elektromagier gezähmt werden können. In der modernen Deutung eine Umschreibung für autonome Waffensysteme, die durch KI-Manager dirigiert werden. In den modernen Berichten gibt es keine Einzelheiten dazu, wie und wo das Wissenschaftsdirektorat an die Waffen kam. Die Details wurden sicher geheim gehalten. Ghislaine Tsibinda geht von der Hypothese aus, dass es sich bei den "Inseln" um solemische Infrastrukturcluster im interstellaren Raum handelt. Der Legende nach schlafen die Drachen in den Ruinen alter Burgen. Eine ziemlich treffende Beschreibung für stillgelegte KI-gesteuerte Waffensysteme in den zerstörten Überresten solemischer Anlagen.
Das Uri Tza Meka Epos beschreibt die gefährliche Wiedererweckung der Drachen. Dabei muss Uri Tza Meka Aufgaben erfüllen, Abenteuer bestehen, Rätsel lösen und am Ende die Drachen mit einer List zähmen. Auch das lässt sich modern interpretieren. Sicher sind Rätsel zu lösen, denn es gilt 700 Jahre alte Exotechnologie in Betrieb zu nehmen. Dabei gibt es nicht nur Probleme mit der fremden Informationsarchitektur, sondern auch mit Sicherheitsroutinen, die auf kreative Weise ausgeschaltet werden müssen. Autonome bewusste KI kann man neu programmieren oder – wenn das nicht möglich ist – überzeugen zu kooperieren. Das kann auch geschehen indem man die KI täuscht, z.B. indem man vorgibt, dass sie gegen ihre alten Feinde kämpft. Die Beschreibung "zähmen durch eine List" deutet darauf hin, dass die Kisori damals die KI der Waffensysteme erfolgreich manipulieren konnten.
Heute ist nicht mehr zu erkennen welche Waffensysteme damals eingesetzt wurden, aber vermutlich waren sie sehr hoch entwickelt. Sie stammten aus einem High-Tech Konflikt zwischen dem solemischen Reich, einem der größten und ältesten Machtbereiche, die es jemals gegeben hatte und den Mercatos, die vermutlich seit Millionen Jahren in Sippenschiffen Raumfahrt betreiben und manchmal überraschende Informations- und Ausrüstungsressourcen haben. Jedenfalls scheinen die Waffen den Angreifern Kisors vor 6700 Jahren weit überlegen gewesen zu sein. Solange sie funktionierten.
Irgendwann waren die Waffen unbrauchbar. Es ist nicht klar, ob es daran lag, dass der Einsatz Munition benötigte, die die kisorische Technologie nicht herstellen konnte. Oder ob die KI der Waffensysteme die Manipulation durchschaute und nicht mehr im Sinne der Kisori aktiv sein wollte. Die Legende sagt, dass die Drachen mit einem Zauber belegt waren und durch den Dienst für Uri Tza Meka von ihrem Bann befreit wurden. Jeder Drache war nur zu einer Schlacht bereit und flog dann davon. Die Drachen hatten den Untergang nur aufgehalten. Uri Tza Meka konnte mit ihrer Hilfe einen Teil seines Volkes vor der Vernichtung bewahren.
Eine neue Expedition zu den Dracheninseln soll noch einmal die Rettung bringen. Doch in der Nacht vor der Abreise wird der Plan verraten. Uri Tza Meka gerät in einen Hinterhalt. Er opfert sich selbst, um die Insignien des Königs in Sicherheit zu bringen. Zu den Insignien gehört das Buch der Elektromagie mit den Beschwörungen, die Drachen zähmen, und eine Karte der Dracheninseln. Nach moderner Lesart also Kommandocodes für die Waffen-KI, Aktivierungsprozeduren und Koordinaten der solemischen Relikte. Die digital aufgezeichnete Geschichte endet hier. In dem Moment als die interplanetare Zivilisation Kisors vor 6700 Jahren unter den Angriffen zerbricht.
Aber die mündliche Überlieferung geht nach Uri Tza Mekas Opfer weiter. An das Uri Tza Meka Epos schließen nahtlos die "Drachengeschichten" an. Es gibt unzählige Geschichten mit einem Drachen in der Gestalt eines Kisori als eine Art Superheld. Der Legende zufolge war der Drache ein Freund von Uri Tza Meka. Als Dank für die Erweckung aus dem hundertjährigen Schlaf, dient der Drache Uri Tza Meka. Am Anfang hat er riesige Kräfte und er zerschmettert alle Gegner. Aber eines Tages wird er mit einem Fluch belegt, der ihn in den Körper eines Kisori bannt und ihm seine Macht nimmt. Fortan braucht er nach großen Anstrengungen lange Erholungspausen. Er ist stark aber nicht mehr unbesiegbar.
Nach dem Ende von Uri Tza Meka wandert der Drache 1000 Jahre durch das Land. Er hilft den einfachen Kisori. Er bekämpft das Böse und versucht die zerbrochene Welt wieder zusammenzusetzen. Dabei führt er immer noch die Königsinsignien mit sich, die er von Uri Tza Meka erhalten hat – einschließlich der Karte von den Dracheninseln. Er bewahrt die Karte mit dem Ziel, irgendwann wieder von den Dracheninseln Hilfe zu holen. Viele der Drachengeschichten laufen nach dem kisorischen Schicksalsbogen ab: Der Drache entdeckt einen Schatz (also Technologie oder Informationen). Damit gibt es Hoffnung für den Wiederaufbau. Dann kommt ein Rückschlag und am Ende zieht der Drache alleine weiter.
In der modernen Deutung von Ghislaine Tsibinda ist der Drache eine der solemischen KIs. Die KI wird von Isulisamikal reaktiviert und hilft als Steuerung für solemische Waffensysteme bei der Verteidigung Kisors. Irgendwann scheint das nicht mehr zu funktionieren. Vielleicht wird die KI im Kampf informationstechnisch beschädigt, vielleicht auch ihre physischen Schnittstellen. Jedenfalls kann sie keine Waffensysteme mehr steuern. Damit fällt ein wichtiger Teil der Verteidigung aus und Kisor wird schließlich überrannt. Im Moment höchster Not überträgt Isulisamikal die wichtigsten Daten und Koordinaten an die KI.
Nach der Katastrophe wandert die KI dann wohl tatsächlich sehr lange auf Kisor Beta umher. Als "Drache in Kisorigestalt" benutzt die KI anscheinend einen kisorischen Androidenkörper oder vielleicht ist sie sogar ein Nanokomplex, der eine beliebige Gestalt annehmen kann und die Kisori-Form wählt. Die KI versucht der Bevölkerung zu helfen. Sie versucht Technik wieder in Betrieb zu nehmen und den Abstieg aufzuhalten. Immer wieder muss sie auch kämpfen, mal mit Makroaktoren ("Schild, Schwert, Hammer"), mal mit Nanotech ("Zauberei") oder mit Memetik-Techniken ("Verführung"). Vermutlich kämpft sie gegen kisorische Warlords um das Chaos abzuwenden. Vielleicht auch gegen späte interstellare Eindringlinge um deren Transportmittel mit dem Ziel, Hilfe für Kisor zu holen. Die Kampfkraft der KI ist beschränkt durch die notwendigen "Pausen nach Anstrengungen". Das klingt, also ob die Ladeleistung sehr begrenzt ist und ihr Energiespeicher lange zur Aufladung braucht.
Das Ende der Drachenlegenden ist offen. Es ist nicht bekannt, ob die KI irgendwann zerstört wurde, ob die Selbstreparatur versagte, oder ob sie das ganze 3000 Jahre lange Mittelalter überdauerte und bis in die kisorische Moderne aktiv war.
Ghislaine Tsibinda konzentriert seine Analyse auf die Karte der Dracheninseln und auf die Aktivitäten des Wissenschaftsdirektorats. In den 100 Jahre alten Backups befinden sich viele indirekte Hinweise auf Aktionen des Wissenschaftsdirektorats zur fraglichen Zeit.
- Es gibt Anfragen von kisorischen NGOs an die damalige königliche Administration. Die Antworten enthalten Angaben zu Daten, Orten und Personen.
- Ein Verhandlungsprotokoll zu einer Schadenersatzklage benennt das genaue Ankunftsdatum eines Zeugen, der laut anderer Unterlagen ein Mitarbeiter von Isulisamikal war. Daraus lassen sich Reisezeiten ableiten.
- Auch vor 6700 Jahren auf Kisor gab es schon Geheimnisbeobachter, Leute, deren Hobby es ist, mit Campingstühlen an Militärbasen auszuharren (oder sich mit ferngesteuerten Teleskopen an Asteroidenstützpunkte anzuschleichen) und den Flugverkehr minutiös aufzeichnen, um Muster in geheimen Regierungsaktivitäten zu erkennen. Diese Geheimnisbeobachter stellten umfangreiche Listen von Starts und Landungen in das öffentliche Netz Kisors. Teile davon sind in den Backups erhalten.
Aus all diesen Quellen erstellt ein assoziativer Daten-Miner eine 4-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung für Aktivitäten der Einsatzgruppe um Isulisamikal.
Ein anderer Miner durchforstet die Drachengeschichten auf Darstellungen der Karte. In einigen Geschichten wird auf die Karte Bezug genommen. Entweder auf ihren Inhalt oder auf relative Abstände von bekannten Wegmarken. Sind die "Dreiecksberge 2 Stunden vor den unsichtbaren Klippen" identisch mit den Pyramiden im Abunnaz-System? Und ist mit den "Klippen" eine bekannte Gravitationssenke aus dunkler Materie in 1,4 Lichtjahren Entfernung gemeint? Der Miner bewertet die Realitätstreue der Hinweise und modelliert aus der Synthese aller Angaben mögliche Varianten der Karte.
Aus der Kombination von probabilistischen Bewegungsdaten mit den potentiellen Kartenvarianten – und unter Berücksichtigung der Sternenbewegung in 6700 Jahren – entstehen mögliche Ziele. Die meisten Zielkoordinaten liegen im interstellaren Raum und viele haben eine Ungenauigkeit von Lichtwochen. Aber wenn man davon ausgeht, dass die solemischen Infrastrukturkomplexe sich in der Nähe von Rohstoffquellen befinden, muss man "nur" nach Planetenmassen in einigen Kubik-Lichtjahren suchen. Eine riesige, aber lösbare Aufgabe.
Ghislaine Tsibinda und seine Partner mobilisieren die Öffentlichkeit von M'kele. Eine sehr erfolgreiche Crowd-Funding Kampagne bringt die notwendige Finanzierung für eine kleine Flotte von gecharterten Suchschiffen. Die Crews setzen sich aus Freiwilligen zusammen. Ein Teil der Ausrüstung und Lebensmittel wird über Merchandising und Product-Placement in Infotainment-Programmen finanziert. Später kommen sogar Enthusiasten von M'kele mit privaten Schiffen dazu. Der Informationsdienst der Kampagne vergibt Suchvolumina an alle, die sich beteiligen wollen. Kampagnentokens und Gewinnanteile werden an der Börse gehandelt. In 12 Jahren werden über 50 % des Suchraumes bearbeitet. Glaubt man Tsibindas Grundannahme, dass die Legenden einen wahren Kern haben, dann steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit pro Suchvolumen an, je länger die Suche dauert. Die Börsenwerte schießen in die Höhe und kommerzielle Prospektoren steigen ein.
Nach 17 Jahren und nach 91 % des wahrscheinlichkeitsgewichteten Suchraumes entdeckt eines der Freiwilligenschiffe endlich einen solemischen Infrastrukturkomplex: riesige Installationen im Raum, ehemals rotierende Habitate, jetzt auseinanderdriftende Fragmente, zerstörte Segmente von Konverterstrecken, aber auch gut erhaltene Bereiche.
Später findet man heraus, dass private Prospektoren die Koordinaten schon seit 5 Jahren kannten. Sie meldeten den Fund nicht, um die Ressourcen heimlich zu nutzen. Da alle Teilnehmer, die Suchvolumina von der Kampagne bezogen, sich den Statuten der Kampagne verpflichten mussten, können die Prospektoren keine Eigentumsrechte geltend machen. Der Komplex wird der Kampagne von Ghislaine Tsibinda zugesprochen.
Ghislaine Tsibinda erklärt sein Lebenswerk für beendet. 361 Jahre nach seiner Aktivierung als Logistikmanagement-KI schaltet er sich ab. Seine letzte Wave: "Besser wird's nicht". Er hatte den kisorischen Schicksalsbogen nie gemocht. Ein Abstieg kommt für ihn nicht in Frage.
Eine von Tsibinda autorisierte (statische) Persönlichkeitssimulation ist öffentlich verfügbar und steht jederzeit für Fragen und Diskussionen bereit.
Zeitleiste: 10000 - 7400 Jahre vor Tsibindas Recherchen liegt Kisor im solemischen Reich, dann 700 Jahre im Mercato-Imperium, ab 6700 für ca. 3000 Jahre Mittelalter bis 3.400, seit 3000 eine neue interplanetare Zivilisation, seit 2000 Jahren auch interstellar, schließlich 100 Jahre vor Tsibindas Recherchen die gezielte Auslöschung im dellianischen Kreuzzug.
#Entdeckung #Ruinen #Interstellar #Sagen #Legenden #KI
http://jmp1.de/h3131
Mit der Entdeckung wird eines der großen Rätsel der modernen Geschichtswissenschaft gelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt waren fast keine Relikte des Solemischen Reichs gefunden worden, obwohl das Reich im lokalen Sektor Jahrtausende geherrscht hatte. Historiker gingen davon aus, dass die jeweiligen Nachfolgemächte die Infrastruktur übernommen und im Lauf der Zeit verändert haben. Tsibindas Entdeckung beweist, dass das Solemische Reich die meisten Mittel im interstellaren Raum bündelte, weitab von Sonnen und bewohnbaren Planeten. Die Installationen waren in der Nähe von Irrläuferplaneten und braunen Zwergen, die als Rohstoffquellen dienten. Die Konstruktionen waren riesig, aber ohne genaue Koordinaten verlieren sie sich im interstellaren Raum.
Warum sich diese Zivilisation von Sonnen fernhielt, ist nicht geklärt. Aber für eine High-Tech Zivilisation ist die Nähe zu einer Sonne nicht wichtig. Energie ist im Überfluss vorhanden, wenn es eine Wasserstoffquelle gibt, wie einen Eisriesen einen braunen Zwerg. Ein Leben im interstellaren Raum ist gar nicht so ungewöhnlich. Schon seit über 500 Jahren kennen die Menschen den Mansalu-Komplex. Ein Großteil der Mansalu lebt im interstellaren Raum.
Bei vielen Völkern gibt es mobile Habitate, die sich vor allem im interstellaren Raum aufhalten. Sie "ankern" an Einzelgängerplaneten und besuchen gelegentlich Sonnensysteme. Einige sind sehr groß, manchmal hundert Kilometer und von vielen Millionen Individuen bewohnt. Sie sind wirtschaftlich autark und sind eigene kleine Welten. Viele dieser Habitate sehen die hohe Dichte planetarer Systeme eher als Risiko, denn als Bereicherung an. Die Besonderheit im Fall des Solemischen Reichs ist, dass sich fast die gesamte Zivilisation im interstellaren Leerraum befand.
Ghislaine Tsibinda beginnt seine berufliche Karriere 2780 als Effizienzmanager bei Logistikdienstleistern im M'kele Orbit, wo er die automatische Optimierung von Dockingprozeduren überwacht. Er durchläuft verschiedene Stationen bis er schließlich 2890 Haupthafenmeister des Morogoro-Terminals wird. Damit ist er verantwortlich für die Abwicklung von 30% des Handelsvolumens im System.
Es ist eine schwierige Zeit. Das interstellare Frachtaufkommen geht zurück, weil die Handelswege unsicher werden und Märkte verlorengehen. Wenige Jahre später gerät sogar das Solsystem unter Fremdherrschaft und fällt damit als Handelspartner für M'kele aus. Tsibinda behält seine Stellung bis in die Zeit der Rückeroberung im Solsystem und setzt sich Anfang des 31. Jahrhunderts zur Ruhe, um seinem Hobby nachzugehen.
Schon sehr lange hatte er sich mit Legenden verschiedener interstellarer Völker beschäftigt. Sein besonderes Interesse gilt dem legendären Solemischen Reich in einem Zeitraum von vor 7000 bis 10000 Jahren. Aus dieser Zeit gibt es fast keine digitalen Aufzeichnungen. Die meisten Daten sind im dunklen Zeitalter nach dem Ende des Mercato-Imperiums verlorengegangen. Es gibt aber Sagen und Legenden bei Völkern, die schon vor 7000 Jahren (ca. 4000 v.Chr.) eine raumfahrende Zivilisation hatten.
Nach dem plötzlichen Ende des Mercato-Imperiums um 3700 v. Chr., stürzte der Sektor in ein dunkles Zeitalter. Die betroffenen Völker verloren den größten Teil ihrer technologischen Fähigkeiten. Neo-Barbaren, Hochzivilisationen und Völker mit inkompatiblen Moralsystemen gerieten in Konflikt. Die Auseinandersetzungen kosteten viel Kraft. Schutz vor Überfällen und Rüstung gegen die Nachbarn verbrauchten wertvolle Ressourcen. Oft waren die Bemühungen nicht langfristig erfolgreich. Systeme, Völker und Fraktionen versuchten sich zu behaupten, auch auf Kosten der Nachbarn. Über 1000 Jahre entstand keine stabilisierende Macht.
Kisor traf es besonders hart. Kisor verlor den kompletten Technologiebaum jenseits von einfachen Elektromotoren. Alle Datentechnik war verloren. Kein Spin-Rechner, kein Assoziativspeicher überdauerte die 3000 Jahre bis Kisor sich erholt. Die Gesellschaft war lange Zeit archaisch, mit einer kuriosen Mischung aus Mittelalter-Technologie und Neuzeit. Es gab Schießpulver, Buchdruck und – für wohlhabende Leute – elektrisches Licht. Aber trotzdem war für die meisten Kisori der Alltag eher geprägt durch manuelle Arbeit, Karren mit Holzrädern und wasserkraftbetriebene Mühlen. In dieser Zeit lebte die Vergangenheit fort in Legenden, die oft mündlich überliefert wurden.
Später im neuen interplanetaren Zeitalter findet man auf Asteroiden und Monden des Kisor Systems uralte Außenposten, die die Zerstörungen und die lange Zeit überdauert haben. Dort gibt es noch funktionstüchtige Informationstechnik, vor allem automatische Steuerungen. Die neuen Kisori entdecken sogar zivile Datenspeicher mit – für sie damals schon – uralten Unterhaltungs- und Informationsprogrammen. Vor dieser Entdeckung kannten sie ihre Vorläuferzivilisation nur aus Legenden. Während des kisorischen Neubeginns (ca. 400 v.Chr.) waren diese schon über 3000 Jahre alt.
Eine der bekanntesten Geschichten aus dieser Zeit sind die "Reisen von Uri Tza Meka". Sie erzählen die Abenteuer von Uri Tza Meka in den Wolkenwelten. Wie er vom einfachen Elektrolehrling zum Helden wird, wie er das Wolkenreich und damit auch seine Heimat rettet. Er kehrt als König zurück. Aber in seiner Rückkehr liegt auch die Saat des Untergangs. Uri Tza Meka kämpft gegen feindliche Himmelsvölker doch schließlich stürzen diese den Himmel auf die Erde. Uri Tza Meka versucht vergeblich die Reste des Königreichs zusammenzuhalten. Es ist der klassische kisorische Schicksalsbogen. Der Aufstieg einer unbedeutenden Figur zum Helden und der darauffolgende Abstieg bis zum Untergang. Während irdische Heldengeschichten meistens am Höhepunkt enden (die sogenannte "Heldenreise") kennt die kisorische Kultur eher den Schicksalsbogen mit einem unerwarteten Aufstieg und einem bitteren, aber unvermeidlichen Ende.
In der irdischen Literatur kann der einfache Bauernsohn zum Helden werden und die Prinzessin heiraten. Der Weg dahin ist gefährlich, aber das Happy End ist fast garantiert, auch wenn das gute Ende durch die Hervorhebung der Risiken immer wieder infrage gestellt wird. In der kisorischen Literatur folgt dem Aufstieg zwangsläufig auch ein Abstieg. Das fatale Ende des kisorischen Schicksalsbogens ist genauso sicher, wie das irdische Happy End. Aber der Weg bis dahin ist interessant. Der Kampf gegen die Übermacht und das Opfer auf verlorenem Posten sind starke Motive. Der heldenhafte Widerstand gegen das unvermeidliche Ende ist genauso wichtig wie der unwahrscheinliche Aufstieg am Beginn der Geschichte.
Die moderne kisorische Literaturwissenschaft geht davon aus, dass der Schicksalsbogen während des Untergangs und des langen kisorischen Mittelalters entstand. Kisor war mehrmals in der Geschichte mächtig und wohlhabend. Aber besonders nach der langen friedlichen Phase während des Solemischen Reichs und des sich anschließenden Mercato-Imperiums, kam der Abstieg überraschend. Für mehr als 3000 Jahre gehörte Kisor zur interstellaren Zivilisation. Dann verschwand das Mercato-Imperium plötzlich und ließ die Kisor-Planeten ungeschützt zurück. In kurzer Zeit wurde die technische Infrastruktur bei Überfällen und Plünderungen weitgehend zerstört. Dabei verloren 90 % der Bevölkerung ihr Leben. Der Technologielevel sank schnell auf einen mittelalterlichen Stand und die Bevölkerung in wenigen Generationen auf nur ein Tausendstel. Das war eine traumatische Erfahrung, die tiefe Spuren im kulturellen Gedächtnis hinterlassen hat. Während der Mittelalter-Katastrophe, während des Abstiegs und in Jahrhunderten vergeblicher Versuche, die Technologie wiederzubeleben, entstanden die Geschichten vom scheiternden Helden, von enttäuschten Hoffnungen und vom unvermeidlichen Abwärtstrend.
Nach diesem Muster laufen die "Reisen von Uri Tza Meka". Kisorische Literaturwissenschaftler und Historiker hielten Uri Tza Meka für eine reine Sagengestalt, die den Untergang symbolisiert. Aber Ghislaine Tsibinda ist fasziniert von der Figur. Er glaubt, dass Uri Tza Meka's Reisen auf wahren Ereignissen beruhen. Ghislaine Tsibinda deutet die Wolkenwelten, bzw. das Wolkenreich als das Mercato-Imperium. Uri Tza Meka war vermutlich ein Info-Designer oder KI-Manager. Für Zuhörer während des kisorischen Mittelalters war der Beruf Uri Tza Mekas übersetzt in die Bezeichnung "Elektrolehrling". Elektrizität überdauert in Nischen das Mittelalter und die Elektromagie war den damaligen Kisori vertraut. Uri Tza Meka steigt am kisorischen Königshof auf und macht Karriere in der Mercato-Hierarchie. Dann folgt die Rettung des Wolkenreichs, also des Mercato-Imperiums. Es ist nicht klar, ob es dafür eine reale Basis gibt. Vielleicht ist dieser Teil nur eine notwendige dramaturgische Wendung für den Aufstieg Uri Tza Mekas zum Helden. Uri Tza Meka kehrt zurück nach Kisor. Und damit beginnt – nach kisorischer Deutung – erst der wichtigste Teil der Geschichte.
Uri Tza Meka ist sehr mächtig. Der Legende nach hat er den Titel "König der irdischen Dinge". Vielleicht war er tatsächlich König der Kisori. Kisor war zu dieser Zeit eine Monarchie. 400 Jahre zuvor war das Königtum aus dem Amt des Statthalters für die Mercatos entstanden. Und die Bezeichnung "König der irdischen Dinge" könnte auf das Oberhaupt der Kisori hindeuten, im Gegensatz zum "König des Himmels", dem informellen Mercato-Herrscher, dem Mercato-Irun. Allerdings gibt es in den alten kisorischen Datenquellen, die im neuen interplanetaren Zeitalter wiederentdeckt werden, keinen Hinweis darauf, dass die Erbfolge zugunsten eines heldenhaften Seiteneinsteigers unterbrochen wurde. Es gibt Nachrichtenartikel mit vielen Details über die letzten Jahre vor der Mittelalter-Katastrophe. Diese Quellen geben den letzten Stand vor dem Untergang wieder und die damaligen Personen sind gut bekannt. Wahrscheinlicher ist, dass Uri Tza Meka auf Ministerebene angesiedelt war, zuständig für Verteidigung oder Technologie. Möglicherweise ist Uri Tza Meka identisch mit Isulisamikal, der letzten Hauptabteilungsleiterin für Fremdtechnologie im Wissenschaftsdirektorat. Das würde zur Karriere eines Kisori passen, der, bzw. die nach einer interstellaren Karriere mit Technologiebezug nach Kisor zurückkehrt.
Der Name Isulisamikal klingt heute ungewöhnlich für Kisori. Aber das uns vertraute 3-teilige Namensschema entstand erst im kisorischen Mittelalter. Und bei der Überlieferung wurden die Namen der Protagonisten an die Erwartungen der Zuhörer angepasst. So könnte aus der realen Kisori Isulisamikal das Heldenepos Uri Tza Meka entstanden sein. Davon ist jedenfalls Ghislaine Tsibinda überzeugt.
Niemand hatte sich vorher für Isulisamikal interessiert. Sie lebte vor 6700 Jahren und war nur eine von damals mehr als 80 Milliarden Kisori. Aber Tsibinda hält sie für den Schlüssel zum Verständnis der Legende. Er verwendet nicht nur die Legende als Quelle, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit Isulisamikals Lebenslauf und den Aktivitäten des damaligen Wissenschaftsdirektorats, soweit die uralten Quellen das zulassen.
Tsibinda sucht in den 20-er Jahren des 31. Jahrhunderts zuerst in öffentlich verfügbaren Datenbanken. Kisorische Historiker haben die wechselvolle Geschichte systematisch aufgearbeitet und alle Informationen aus früheren Epochen zusammengetragen. Dazu gehören riesige Mengen an Informationen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr., also aus der Blütezeit vor der Mittelalter-Katastrophe. Das Material stammt vor allem aus Unterhaltungs- und Informationsangeboten von interplanetaren Außenposten im Kisor-System. Fast ein kompletter Abzug des damaligen Wissensstands war vefügbar. In geringerem Umfang gab es auch Daten zu noch früheren Blütezeiten, zum Goldenen Reich Kisors vor 12000 Jahren und zum ersten Reich vor 15000 Jahren.
Aber inzwischen hatte Kisor ein weiterer Schicksalsschlag getroffen. Zur Zeit der Recherchen von Ghislaine Tsibinda sind die Kisor-Zwillinge nur noch Staubwüsten. Hundert Jahre vor Tsibindas Recherchen hatten Leccianer von Sol mithilfe von Söldnern anderer Völker einen religiös motivierten Vernichtungsfeldzug gegen Kisor geführt. Kisor war damals schon geschwächt durch die Auseinandersetzungen mit der Sol-basierten ersten Reshumanis. Einige Zeit nachdem Sol an die Leccianer fiel, führten die Leccianer einen Rachefeldzug gegen das Kisor-System. Der Krieg endete mit der kinetischen Bombardierung der zwei Planeten und der Auslöschung der modernen kisorischen Zivilisation.
Der Sturz in das kisorische Mittelalter vor 6700 Jahren war die Nebenwirkung einer rücksichtslosen Plünderung gewesen. Aber der Schlag der Dellianer gegen Kisor im Jahr 2924 geschah mit dem Vorsatz, die Kisori für den vorangegangenen Frevel zu bestrafen. Für Kisor war das eine noch größere Katastrophe als 6700 Jahre zuvor. Die zwei Planeten wurden vollständig sterilisiert. Und dabei gingen natürlich auch die ausführlichen historischen Archive verloren.
Ghislaine Tsibinda führt zwischen 3050 und 3070 mehrere Expeditionen zu ehemaligen militärischen Außenposten in der näheren interstellaren Umgebung Kisors. Er hofft, dass dort noch Datenbanken existieren, in denen er Teile der historischen Archive finden kann. Die Auslöschung 2924 kam nicht so überraschend, wie die Mittelalter-Katastrophe 6700 Jahre zuvor. Sie war eher das fatale Ende eines 100 Jahre langen Niedergangs mit immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen. Die Kisori hatten oft Grund, sich zu sorgen und Daten in Sicherheit zu bringen. Vielleicht gibt es auf den militärischen Außenposten Datensicherungen des kisorischen Informationsverbunds, die auch zufällig die historischen Archive enthalten. Und vielleicht interessierten sich kisorische Militärhistoriker des 30. Jahrhundert n.Chr. in verzweifelten Situationen für die Maßnahmen, mit denen ihr Volk 6700 Jahre vorher schon einmal versucht hatte, den Untergang abzuwenden. Das war zumindest die Idee.
Tatsächlich findet die Gruppe um Tsibinda einige Backups. Nur erweist sich der Zugang zu den Daten in der Praxis als schwierig. Fast alle verlassenen Stützpunkte sind geplündert oder die Informationstechnik wurde inzwischen anders verwendet. Daten, die Tsibinda findet, sind fast immer verschlüsselt. Militärische Verschlüsselungstechnik ist quantenhart und nicht wiederherstellbar. Die Schlüssel sind schon lange verschollen. Ein Stützpunkt, den Tsibinda dabei entdeckt, ist immer noch besetzt von Militärpersonal und die Bewohner sind nicht glücklich darüber, dass jemand sie aufgespürt hat. Die Besatzung dieses geheimen Stützpunkts hütet tatsächlich Backups der (erneut) untergegangenen kisorischen Zivilisation mit dem Ziel, sie später an die neuen Kisori zu übergeben, wenn die Heimatplaneten wieder besiedelt werden. Aber die Daten unterliegen auch 100 Jahre später noch militärischer Geheimhaltung. Lange Verhandlungen, vertrauensbildende Maßnahmen und geheime materielle Hilfe über mehrere Jahre sind nötig, um den kommandierenden Offizier umzustimmen.
Die Kisori bieten Ghislaine Tsibinda schließlich Zugang zu zivilen Daten, die früher im kisorischen Netz frei verfügbar waren. Dazu gehören Unterhaltungsprogramme einschließlich der alten Überlieferungen, Enzyklopädien, Technologiedatenbanken und historische Archive, die auch Teile der 6700 Jahre alten Quellen enthalten. Das ist bei Weitem nicht ein kompletter Datenabzug des Netzes, denn die Speicherkapazität des Stützpunkts ist viel kleiner als die des Originals. Es sind speziell ausgewählte Daten, aber trotzdem so viel, dass sie nicht einfach übertragen oder kopiert werden können. Vor Ort laufen automatische Klassifizierer, Daten-Miner und Assoziationsagenten monatelang über die Daten bis sich ein Bild der Verhältnisse kurz vor der Mittelalter-Katastrophe formt.
Die letzten Nachrichten vor der Katastrophe beschreiben eine verzweifelte Situation. Kisor lag im Mercato-Imperium, war aber politisch unabhängig nachdem sich die Kisor-Planeten von Abgaben freigekauft hatten. Das Mercato-Imperium sorgte für Frieden und Handel. Aber die Situation war nur scheinbar stabil. Mercatos gründen eigentlich keine eigenen Herrschaftsbereiche. Sie sind Händler, unterwegs in Sippenschiffen ohne Machtambition. Von Zeit zu Zeit erscheint ein Individuum mit besonderem Charisma, ein Hro. Zur Erwachsenenweihe eines solchen Wesens kommen tausende Sippenschiffe. Aus der Transformation zum erwachsenen Mercato kann dann eine Persönlichkeit hervorgehen, die alle anwesenden Sippen in seinen Bann zieht, ein Anführer der die sonst autarken Sippen vereint, ein sogenannter Irun. Dann ändert sich das Verhaltensmuster der Mercatos im ganzen Sektor. Genau das war vor ca. 7500 Jahren geschehen. Die Mercatos wurden aggressiv. Sie bekämpften das Solemische Reich und zerstörten dessen interstellare Infrastruktur.
Danach beherrschten Mercatos den Sektor für einige Jahrhunderte. Aber mit dem Tod des Irun nach ca. 700 Jahren verschwand das Mercato-Imperium von einem Moment auf den anderen. Es hinterließ einen wohlhabenden aber schutzlosen Sektor. Die Mercatos hatten bei den Völkern innerhalb ihres Einflussbereichs jegliche militärische Technologie unterdrückt. Für viele Völker, Fraktionen und Machtbereiche außerhalb der Mercato-Grenzen waren die reichen ehemaligen Mercato-Vasallen nun eine legitime Beute. Nicht alle Völker haben eine so hochstehende Moral, wie der kisorische Alturismus. Viele interstellare Völker sind kulturell oder sogar biologisch anders strukturiert und haben inkompatible Ethiksysteme. Anscheinend brach eine Welle von Erpressungen, Plünderungen und Angriffen über die ehemaligen Mercato-Vasallen herein. Und mitten darin befanden sich die zwei Kisor-Planeten. Die Angreifer sind nicht bekannt. Es gibt Hinweise auf Chinti-Schwärme und auf Raubzüge abtrünniger interianischer Personen. Aber die meisten Gegner sind nicht identifizierbar.
Die Nachrichten von vor 6700 Jahren sind dramatisch. Kisor wird immer wieder von bewaffneten Angreifern bedroht. Interplanetare Infrastruktur und planetare Ziele werden gewaltsam zerstört, mal als Warnung, mal als Bestrafung. Kisor ist hilflos und versucht eine Verteidigung aufzubauen, aber die Angriffe kommen in kurzen Abständen. Die planetaren Orbits werden besetzt. Der interplanetare Verkehr wird unterbunden und die Infrastruktur wird geplündert. Ständig kommen neue schreckliche Nachrichten. Parallel zu den verzweifelten Verteidigungsanstrengungen gibt es anscheinend eine Initiative des Wissenschaftsdirektorats, um die – damals 700 alte – solemische Militärtechnologie nutzbar zu machen. Das wird nirgends genau beschrieben. Aber aus der Kombination der Tatsachenberichte alter digitaler Quellen und der überlieferten Legenden lässt sich ableiten, dass irgendwann eine kleine Gruppe von kisorischen Akteuren überraschend mächtige militärische Mittel einsetzte und Angreifer zurückschlug. In der alten – modernen – Berichten gelingt es dem Wissenschaftsdirektorat mit Exotechnologie ein Verteidigungssystem aufzubauen. Man kann davon ausgehen, dass Isulisamikal, die damalige Hauptabteilungsleiterin für Fremdtechnologie beteiligt war.
In der neueren – archaischen – Erzählung reist Uri Tza Meka zu fernen Inseln auf der Suche nach feuerspeienden Ungeheuern (Menschen würden "Drachen" sagen), die der Überlieferung nach durch Elektromagier gezähmt werden können. In der modernen Deutung eine Umschreibung für autonome Waffensysteme, die durch KI-Manager dirigiert werden. In den modernen Berichten gibt es keine Einzelheiten dazu, wie und wo das Wissenschaftsdirektorat an die Waffen kam. Die Details wurden sicher geheim gehalten. Ghislaine Tsibinda geht von der Hypothese aus, dass es sich bei den "Inseln" um solemische Infrastrukturcluster im interstellaren Raum handelt. Der Legende nach schlafen die Drachen in den Ruinen alter Burgen. Eine ziemlich treffende Beschreibung für stillgelegte KI-gesteuerte Waffensysteme in den zerstörten Überresten solemischer Anlagen.
Das Uri Tza Meka Epos beschreibt die gefährliche Wiedererweckung der Drachen. Dabei muss Uri Tza Meka Aufgaben erfüllen, Abenteuer bestehen, Rätsel lösen und am Ende die Drachen mit einer List zähmen. Auch das lässt sich modern interpretieren. Sicher sind Rätsel zu lösen, denn es gilt 700 Jahre alte Exotechnologie in Betrieb zu nehmen. Dabei gibt es nicht nur Probleme mit der fremden Informationsarchitektur, sondern auch mit Sicherheitsroutinen, die auf kreative Weise ausgeschaltet werden müssen. Autonome bewusste KI kann man neu programmieren oder – wenn das nicht möglich ist – überzeugen zu kooperieren. Das kann auch geschehen indem man die KI täuscht, z.B. indem man vorgibt, dass sie gegen ihre alten Feinde kämpft. Die Beschreibung "zähmen durch eine List" deutet darauf hin, dass die Kisori damals die KI der Waffensysteme erfolgreich manipulieren konnten.
Heute ist nicht mehr zu erkennen welche Waffensysteme damals eingesetzt wurden, aber vermutlich waren sie sehr hoch entwickelt. Sie stammten aus einem High-Tech Konflikt zwischen dem solemischen Reich, einem der größten und ältesten Machtbereiche, die es jemals gegeben hatte und den Mercatos, die vermutlich seit Millionen Jahren in Sippenschiffen Raumfahrt betreiben und manchmal überraschende Informations- und Ausrüstungsressourcen haben. Jedenfalls scheinen die Waffen den Angreifern Kisors vor 6700 Jahren weit überlegen gewesen zu sein. Solange sie funktionierten.
Irgendwann waren die Waffen unbrauchbar. Es ist nicht klar, ob es daran lag, dass der Einsatz Munition benötigte, die die kisorische Technologie nicht herstellen konnte. Oder ob die KI der Waffensysteme die Manipulation durchschaute und nicht mehr im Sinne der Kisori aktiv sein wollte. Die Legende sagt, dass die Drachen mit einem Zauber belegt waren und durch den Dienst für Uri Tza Meka von ihrem Bann befreit wurden. Jeder Drache war nur zu einer Schlacht bereit und flog dann davon. Die Drachen hatten den Untergang nur aufgehalten. Uri Tza Meka konnte mit ihrer Hilfe einen Teil seines Volkes vor der Vernichtung bewahren.
Eine neue Expedition zu den Dracheninseln soll noch einmal die Rettung bringen. Doch in der Nacht vor der Abreise wird der Plan verraten. Uri Tza Meka gerät in einen Hinterhalt. Er opfert sich selbst, um die Insignien des Königs in Sicherheit zu bringen. Zu den Insignien gehört das Buch der Elektromagie mit den Beschwörungen, die Drachen zähmen, und eine Karte der Dracheninseln. Nach moderner Lesart also Kommandocodes für die Waffen-KI, Aktivierungsprozeduren und Koordinaten der solemischen Relikte. Die digital aufgezeichnete Geschichte endet hier. In dem Moment als die interplanetare Zivilisation Kisors vor 6700 Jahren unter den Angriffen zerbricht.
Aber die mündliche Überlieferung geht nach Uri Tza Mekas Opfer weiter. An das Uri Tza Meka Epos schließen nahtlos die "Drachengeschichten" an. Es gibt unzählige Geschichten mit einem Drachen in der Gestalt eines Kisori als eine Art Superheld. Der Legende zufolge war der Drache ein Freund von Uri Tza Meka. Als Dank für die Erweckung aus dem hundertjährigen Schlaf, dient der Drache Uri Tza Meka. Am Anfang hat er riesige Kräfte und er zerschmettert alle Gegner. Aber eines Tages wird er mit einem Fluch belegt, der ihn in den Körper eines Kisori bannt und ihm seine Macht nimmt. Fortan braucht er nach großen Anstrengungen lange Erholungspausen. Er ist stark aber nicht mehr unbesiegbar.
Nach dem Ende von Uri Tza Meka wandert der Drache 1000 Jahre durch das Land. Er hilft den einfachen Kisori. Er bekämpft das Böse und versucht die zerbrochene Welt wieder zusammenzusetzen. Dabei führt er immer noch die Königsinsignien mit sich, die er von Uri Tza Meka erhalten hat – einschließlich der Karte von den Dracheninseln. Er bewahrt die Karte mit dem Ziel, irgendwann wieder von den Dracheninseln Hilfe zu holen. Viele der Drachengeschichten laufen nach dem kisorischen Schicksalsbogen ab: Der Drache entdeckt einen Schatz (also Technologie oder Informationen). Damit gibt es Hoffnung für den Wiederaufbau. Dann kommt ein Rückschlag und am Ende zieht der Drache alleine weiter.
In der modernen Deutung von Ghislaine Tsibinda ist der Drache eine der solemischen KIs. Die KI wird von Isulisamikal reaktiviert und hilft als Steuerung für solemische Waffensysteme bei der Verteidigung Kisors. Irgendwann scheint das nicht mehr zu funktionieren. Vielleicht wird die KI im Kampf informationstechnisch beschädigt, vielleicht auch ihre physischen Schnittstellen. Jedenfalls kann sie keine Waffensysteme mehr steuern. Damit fällt ein wichtiger Teil der Verteidigung aus und Kisor wird schließlich überrannt. Im Moment höchster Not überträgt Isulisamikal die wichtigsten Daten und Koordinaten an die KI.
Nach der Katastrophe wandert die KI dann wohl tatsächlich sehr lange auf Kisor Beta umher. Als "Drache in Kisorigestalt" benutzt die KI anscheinend einen kisorischen Androidenkörper oder vielleicht ist sie sogar ein Nanokomplex, der eine beliebige Gestalt annehmen kann und die Kisori-Form wählt. Die KI versucht der Bevölkerung zu helfen. Sie versucht Technik wieder in Betrieb zu nehmen und den Abstieg aufzuhalten. Immer wieder muss sie auch kämpfen, mal mit Makroaktoren ("Schild, Schwert, Hammer"), mal mit Nanotech ("Zauberei") oder mit Memetik-Techniken ("Verführung"). Vermutlich kämpft sie gegen kisorische Warlords um das Chaos abzuwenden. Vielleicht auch gegen späte interstellare Eindringlinge um deren Transportmittel mit dem Ziel, Hilfe für Kisor zu holen. Die Kampfkraft der KI ist beschränkt durch die notwendigen "Pausen nach Anstrengungen". Das klingt, also ob die Ladeleistung sehr begrenzt ist und ihr Energiespeicher lange zur Aufladung braucht.
Das Ende der Drachenlegenden ist offen. Es ist nicht bekannt, ob die KI irgendwann zerstört wurde, ob die Selbstreparatur versagte, oder ob sie das ganze 3000 Jahre lange Mittelalter überdauerte und bis in die kisorische Moderne aktiv war.
Ghislaine Tsibinda konzentriert seine Analyse auf die Karte der Dracheninseln und auf die Aktivitäten des Wissenschaftsdirektorats. In den 100 Jahre alten Backups befinden sich viele indirekte Hinweise auf Aktionen des Wissenschaftsdirektorats zur fraglichen Zeit.
- Es gibt Anfragen von kisorischen NGOs an die damalige königliche Administration. Die Antworten enthalten Angaben zu Daten, Orten und Personen.
- Ein Verhandlungsprotokoll zu einer Schadenersatzklage benennt das genaue Ankunftsdatum eines Zeugen, der laut anderer Unterlagen ein Mitarbeiter von Isulisamikal war. Daraus lassen sich Reisezeiten ableiten.
- Auch vor 6700 Jahren auf Kisor gab es schon Geheimnisbeobachter, Leute, deren Hobby es ist, mit Campingstühlen an Militärbasen auszuharren (oder sich mit ferngesteuerten Teleskopen an Asteroidenstützpunkte anzuschleichen) und den Flugverkehr minutiös aufzeichnen, um Muster in geheimen Regierungsaktivitäten zu erkennen. Diese Geheimnisbeobachter stellten umfangreiche Listen von Starts und Landungen in das öffentliche Netz Kisors. Teile davon sind in den Backups erhalten.
Aus all diesen Quellen erstellt ein assoziativer Daten-Miner eine 4-dimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung für Aktivitäten der Einsatzgruppe um Isulisamikal.
Ein anderer Miner durchforstet die Drachengeschichten auf Darstellungen der Karte. In einigen Geschichten wird auf die Karte Bezug genommen. Entweder auf ihren Inhalt oder auf relative Abstände von bekannten Wegmarken. Sind die "Dreiecksberge 2 Stunden vor den unsichtbaren Klippen" identisch mit den Pyramiden im Abunnaz-System? Und ist mit den "Klippen" eine bekannte Gravitationssenke aus dunkler Materie in 1,4 Lichtjahren Entfernung gemeint? Der Miner bewertet die Realitätstreue der Hinweise und modelliert aus der Synthese aller Angaben mögliche Varianten der Karte.
Aus der Kombination von probabilistischen Bewegungsdaten mit den potentiellen Kartenvarianten – und unter Berücksichtigung der Sternenbewegung in 6700 Jahren – entstehen mögliche Ziele. Die meisten Zielkoordinaten liegen im interstellaren Raum und viele haben eine Ungenauigkeit von Lichtwochen. Aber wenn man davon ausgeht, dass die solemischen Infrastrukturkomplexe sich in der Nähe von Rohstoffquellen befinden, muss man "nur" nach Planetenmassen in einigen Kubik-Lichtjahren suchen. Eine riesige, aber lösbare Aufgabe.
Ghislaine Tsibinda und seine Partner mobilisieren die Öffentlichkeit von M'kele. Eine sehr erfolgreiche Crowd-Funding Kampagne bringt die notwendige Finanzierung für eine kleine Flotte von gecharterten Suchschiffen. Die Crews setzen sich aus Freiwilligen zusammen. Ein Teil der Ausrüstung und Lebensmittel wird über Merchandising und Product-Placement in Infotainment-Programmen finanziert. Später kommen sogar Enthusiasten von M'kele mit privaten Schiffen dazu. Der Informationsdienst der Kampagne vergibt Suchvolumina an alle, die sich beteiligen wollen. Kampagnentokens und Gewinnanteile werden an der Börse gehandelt. In 12 Jahren werden über 50 % des Suchraumes bearbeitet. Glaubt man Tsibindas Grundannahme, dass die Legenden einen wahren Kern haben, dann steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit pro Suchvolumen an, je länger die Suche dauert. Die Börsenwerte schießen in die Höhe und kommerzielle Prospektoren steigen ein.
Nach 17 Jahren und nach 91 % des wahrscheinlichkeitsgewichteten Suchraumes entdeckt eines der Freiwilligenschiffe endlich einen solemischen Infrastrukturkomplex: riesige Installationen im Raum, ehemals rotierende Habitate, jetzt auseinanderdriftende Fragmente, zerstörte Segmente von Konverterstrecken, aber auch gut erhaltene Bereiche.
Später findet man heraus, dass private Prospektoren die Koordinaten schon seit 5 Jahren kannten. Sie meldeten den Fund nicht, um die Ressourcen heimlich zu nutzen. Da alle Teilnehmer, die Suchvolumina von der Kampagne bezogen, sich den Statuten der Kampagne verpflichten mussten, können die Prospektoren keine Eigentumsrechte geltend machen. Der Komplex wird der Kampagne von Ghislaine Tsibinda zugesprochen.
Ghislaine Tsibinda erklärt sein Lebenswerk für beendet. 361 Jahre nach seiner Aktivierung als Logistikmanagement-KI schaltet er sich ab. Seine letzte Wave: "Besser wird's nicht". Er hatte den kisorischen Schicksalsbogen nie gemocht. Ein Abstieg kommt für ihn nicht in Frage.
Eine von Tsibinda autorisierte (statische) Persönlichkeitssimulation ist öffentlich verfügbar und steht jederzeit für Fragen und Diskussionen bereit.
Zeitleiste: 10000 - 7400 Jahre vor Tsibindas Recherchen liegt Kisor im solemischen Reich, dann 700 Jahre im Mercato-Imperium, ab 6700 für ca. 3000 Jahre Mittelalter bis 3.400, seit 3000 eine neue interplanetare Zivilisation, seit 2000 Jahren auch interstellar, schließlich 100 Jahre vor Tsibindas Recherchen die gezielte Auslöschung im dellianischen Kreuzzug.
#Entdeckung #Ruinen #Interstellar #Sagen #Legenden #KI
http://jmp1.de/h3131
Aliens im Sonnensystem
2170 Bei Riesenpilzen der Art Armillaria Solidipes gibt es neuronenartige Vorgänge.
2171 Pandora Artefakt.
2190 Auf dem Mond wird im Krater Kopernikus eine uralte, nicht von Menschen erbaute Station entdeckt.
2208 Entdeckung des Octopus sapiens.
2312 Entdeckung des Kaio-Artefakts.
2503 Arizona Krater Relikte.
2532 Dilan-Zwischenfall und Outer System Wipe.
2544 Erster Besuch eines extrasolaren Schiffes im Sonnensystem.
2574 Artu-Domäne.
2791 Besuch des Contour-Systemfahrzeugs bei Cobol.
2806 Weltraum Müll von Aliens in unserem Sonnensystem.
2870 Entdeckung der Qi, einer KI-Zivilisation im Solnet, dem verteilten, öffentlichen Netzwerk des Solsystems.
3180 Außerirdische Mikroben auf der Erde.
2171 Pandora Artefakt.
2190 Auf dem Mond wird im Krater Kopernikus eine uralte, nicht von Menschen erbaute Station entdeckt.
2208 Entdeckung des Octopus sapiens.
2312 Entdeckung des Kaio-Artefakts.
2503 Arizona Krater Relikte.
2532 Dilan-Zwischenfall und Outer System Wipe.
2544 Erster Besuch eines extrasolaren Schiffes im Sonnensystem.
2574 Artu-Domäne.
2791 Besuch des Contour-Systemfahrzeugs bei Cobol.
2806 Weltraum Müll von Aliens in unserem Sonnensystem.
2870 Entdeckung der Qi, einer KI-Zivilisation im Solnet, dem verteilten, öffentlichen Netzwerk des Solsystems.
3180 Außerirdische Mikroben auf der Erde.
Die größten Abenteuer
2390 Pontos Mission: Forschungsexpedition zum neunten Planeten.
2478 Großrazzia im Asteroidengürtel
2511 Start der Marco Polo zum Flug nach Ross 614.
2535 Tragödie von Cobol.
2603 Kauf eines hypermodernen alten Frachtschiffs.
2625 Zirkus Qiji bringt exotische Tiere zur Erde.
2646 Majidah Hazama wird als Anwältin der Thoris-Harmonie zugelassen.
2648 Besuch eines Schiffes der Europäischen Forschungsstiftung auf Interia.
2677 Besuch einer Expedition im Herrschaftsbereich der Mansalu.
2722 Spacedome: Asram Güdans Opfer zur Rettung des Kinderlagers im blauen Sektor.
2749 Gabriele von Pellworn wird zur Regentin von Makadam auf Adrian.
2843 Schatzsuche zwischen den Sternen.
2943 Als erster Nichtkalahner gewinnt der Mensch Domino Hacomini Bozo den Drachenflugwettbewerb auf Kalah
2478 Großrazzia im Asteroidengürtel
2511 Start der Marco Polo zum Flug nach Ross 614.
2535 Tragödie von Cobol.
2603 Kauf eines hypermodernen alten Frachtschiffs.
2625 Zirkus Qiji bringt exotische Tiere zur Erde.
2646 Majidah Hazama wird als Anwältin der Thoris-Harmonie zugelassen.
2648 Besuch eines Schiffes der Europäischen Forschungsstiftung auf Interia.
2677 Besuch einer Expedition im Herrschaftsbereich der Mansalu.
2722 Spacedome: Asram Güdans Opfer zur Rettung des Kinderlagers im blauen Sektor.
2749 Gabriele von Pellworn wird zur Regentin von Makadam auf Adrian.
2843 Schatzsuche zwischen den Sternen.
2943 Als erster Nichtkalahner gewinnt der Mensch Domino Hacomini Bozo den Drachenflugwettbewerb auf Kalah
2557 Das Landeunternehmen bei Wladiwostok scheitert mit großen Verlusten für die Landungstruppen
Die neuen militärischen Kapazitäten der Erdunion im Raum sind eine existenzielle Bedrohung für die solare Koalition. Die Erde versucht, die expansionistischen Aktivitäten der Koalition mit Gewalt zu unterbinden. Sie hatte den Mond besetzt, das Marssystem angegriffen und den Marsorbit eingenommen. Die Koalition konnte unter Aufbietung aller Kräfte des inneren und äußeren Systems schließlich Deimos wieder einnehmen und die Erdflotte schlagen. Ein Jahr später konnte die Koalition auch den Mond befreien und den Systemkrieg bis in den Erdorbit tragen. Aber seit drei Jahren gibt es eine Pattsituation. Die Koalition dominiert den Orbit und verhindert, dass die Erde wieder militärische Kräfte in den Raum startet. Die Erde kontrolliert die Oberfläche.
Eigentlich ist damit der Status Quo wiederhergestellt, der vor Ausbruch des Krieges lange Zeit Bestand hatte. Die solare Koalition ist im Weltraum, die Union auf der Erde. Die Koalition is expansionistisch und wird inzwischen interstellar aktiv. Die Erde ist isoliert. Sie konzentriert sich auf eine nachhaltige Wirtschaft und die Reparatur der Ökologie. 90 Millionen Menschen verteilt über das Sonnensystem gegen 18 Milliarden auf der Erde.
Aber beide Seiten können die Situation nicht so bestehen lassen. Die Erde sieht die interstellaren Aktivitäten mit Schrecken. Die Erde ist schon lange antiexpansionistisch. Und durch den Dilan-Zwischenfall, 25 Jahre zuvor, wurden die schlimmsten Befürchtungen der Antiexpansionisten bestätigt. Die Erdunion ist entschlossen weitere interstellare Aktivitäten zu verhindern. Deshalb versucht sie nun die orbitale Blockade zu durchbrechen. Aber alle startenden Objekte werden noch im erdnahen Raum neutralisiert.
Weil es der Erde nicht gelingt, den Orbit zurückzugewinnen und neue Kräfte im Raum zu etablieren, ist sie zu einer Terrortaktik übergegangen. Die Erdstreitkräfte starten Langstreckenraketen, die mit nuklearen Sprengköpfen direkt interplanetare Ziele angreifen. Beide Seiten scheuen noch davor zurück, planetare Ziele zu treffen. Die Koalition versucht die Geschosse abzufangen. Aber die Frequenz nimmt zu und die Blockadekräfte der Koalition können nicht mehr alle Durchbrüche verhindern. Jeder einzige kann riesige Schäden anrichten und Millionen Bürger der Koalition treffen. Der erste große Verlust auf der Seite der Koalition ist ein Gemini/L5 O'Neill Zylinder mit 40.000 Bewohnern. Die Koalition reagiert mit einer Verschärfung des Orbitalkriegs und schießt auch zivile suborbitale Fahrzeuge der Union ab.
Die Koalition ist entschlossen, die interplanetaren Angriffe zu unterbinden. Dafür strebt sie einen Regimewechsel auf der Erde an. Außerdem gibt es in der Koalition immer noch starke Kräfte, die die Isolation der Erde beenden wollen. Viele haben sich nie damit abgefunden, dass der Heimatplanet verloren ist. Die interplanetare Zivilisation ist zwar erwachsen geworden, aber Erdnostalgie ist immer noch ein starkes Motiv. Diese Kräfte sehen in der aktuellen Eskalation die Chance, den Status Quo zu ändern und die Erde zurückzugewinnen.
Momentan sind die Expansionisten der Erde im Untergrund. Die Expansionisten wollen sich nicht damit abfinden, dass "den Menschen der Erde die Sterne verwehrt werden". In vielen Regionen gibt es expansionistische Guerillagruppen. Manche verüben Anschläge. Andere bereiten sich im Stillen auf den Befreiungskampf vor. Die Koalition hilft durch Propaganda aus dem Orbit, durch die Landung von Ausrüstung in Deorbitern und durch Schmuggel von Material und Personal. Aber die Union hat die Erde fest im Griff. Genauso, wie die Koalition fast alle Starts in den Orbit unterdrücken kann, hat die Union ein dichtes Überwachungsnetz, um Landungen vom Orbit zu verhindern. Manchmal klappt das trotzdem. Aber es gibt keinen zuverlässigen und leistungsfähigen Transportweg. Materielle Unterstützung des Untergrunds kommt nur sehr unregelmäßig durch.
Die Koalition beabsichtigt deshalb, einen Brückenkopf auf der Erde zu etablieren. Von dieser Basis aus sollen erst Agenten die Untergrundbewegung unterstützen. Später sollen dann Spezialeinheiten mit modernen Waffen beim Befreiungskampf helfen. Sie wählt dafür ein dünn besiedeltes Gebiet in Asien nordwestlich von Wladiwostok.
Phase I: Das Gebiet wird im Umkreis von 200 km durch kinetische Bombardierung eingeebnet. Die bekannte Vegetation und die Topographie verschwinden in einem Sturm von Hochgeschwindigkeitsgeschossen, die ihre kinetische Energie von jeweils 1 kt dort deponieren. Das wirkt wie tausende taktischer Nuklearexplosionen, aber ohne radioaktive Strahlung zu hinterlassen. Die Koalition achtet darauf, für die Geschosse bioverträgliches und kein toxisches Material einzusetzen. Die Region soll später wieder bewohnbar sein.
Phase II: Crash-Deorbiter landen an den Rändern und etablieren ein Verteidigungsnetzwerk in dessen Schutz später Koalitionstruppen landen können. Als Abwehrnetz werden hunderte Starteinheiten für Hyperschall-Geschosse stationiert, die jeweils einen Keramik-Pellet-Sturm ins Zielgebiet tragen können. Die Trägersysteme verwenden Linearbeschleuniger (Railgun) und Konvertertechnologie, um die offensiven Komponenten in Sekunden über viele Kilometer an die Bedrohung heranzubringen. Es gibt Pellets für verschiedene Leistungsprofile, z.B. hitzebeständige Bornitrid-Darts (für den Einsatz gegen Reaktivpanzerungen), Bor-Fullerene (eher ein Staubsturm gegen Schwärme von Mikrobots) und diamantumhüllte Wolfram Partikel mit besonders großer Durchschlagskraft (gegen starke Passivpanzerung). Alle zusammen bilden einen sogenannten Keramikschild. Jeder Angreifer, ob Geschoss, Drohne oder Soldat trifft beim Überschreiten der imaginären Grenze auf einen Sturm von winzigen hyperschallschnellen Keramikpellets, die alles in Sekundenbruchteilen zermahlen, auch Panzerungen, Mikrobots und Military-Fog.
Phase III: Im Inneren des geschützten Bereichs landen Deorbiter mit passiven Schutzmaßnahmen. Darunter sind Spiegelprojektoren, Schwärme von sub-Millimeter großen programmierbaren Spiegeln aus optisch aktivem Metamaterial. Die Komponenten schweben in der Luft und richten sich automatisch auf eine starke Lichtquelle aus. Sie blockieren Laserwaffen und werfen dabei sogar einen Teil der Strahlenergie zurück. Phase III bringt auch mobile Aerosolgeneratoren, die über große Orts- und Frequenzbereiche Beobachtung unterbinden und gleichzeitig Schutz gegen Plasmawaffen bieten.
Phase IV landet schweres Gerät, klassische Raketenabwehr, Tiefenradar gegen unterirdische Angriffe. teilautonome Drohnen, EW (Electronic Warfare), ECM (Electronic Counter Measures) und ECCM (Electronic Counter Counter Measures). Außerdem landen Pioniere mit Generatoren für elektrischen Strom und Hohlleiter, mit Tunnelbohrern aus dem Asteroidenbergbau, ISRU-Extraktionseinheiten (In Situ Resource Utilization) und Fabs für Basisbau und Munition. Mit dieser Ausrüstung werden über das ganze Gebiet mehrere unterirdische Stützpunkte eingegraben. Die Basen sind weit verzweigte Netze von unterirdischen Tunneln mit vielen Ausgängen. Damit bieten sie kein klares Ziel.
Die Koalition hat die Raumüberlegenheit. Sie kann Luftangriffe und suborbitale Flugkörper durch kinetische Schläge aus dem Orbit unterbinden. Außer wenigen anfänglichen Tests verzichten die Unionsstreitkräfte auf luftgestützte Angriffe. Attacken verwenden vor allem schwer gepanzerte Bodenfahrzeuge und Tunnel, die in aller Eile über hunderte Kilometer gegraben werden. Auch die Erde hat eine hochentwickelte Tunneltechnik für den Bau der Vakuumbahnen.
Während der Basisbau unter ständigen Angriffen weitergeht, landen Koalitionstruppen. Sie betreiben die Basis und besetzen vorgeschobene Posten. Geheimdienstpersonal beginnt Verbindungen zu den lokalen Widerstandsnetzwerken aufbauen. Spezialeinheiten und ihre Drohnen erkunden die weitere Umgebung. Sie bereiten sich auf den globalen Einsatz vor. Auf der Landseite errichten die Unionsstreitkräfte eine Blockadefront. Aber der Brückenkopf wurde absichtlich am Pazifik etabliert, um unter Wasser Menschen und Material in alle Welt zu transportieren. Alle Angriffe werden abgewehrt.
Neben den halbautomatischen Kampfmitteln wächst die Personalstärke im Lauf eines Jahres auf 30.000 Menschen und Drohnen mit Upload-Besatzung.
Dann explodieren die Antimaterieminen. Drei mal 50 Mt löschen den Brückenkopf der Koalition aus. Rohe Gewalt siegt über High-Tech.
Schon vor langer Zeit hatte die Union schwere nukleare Sprengköpfe tief eingegraben. Weltweit sind alle menschenleeren Gebiete, die für eine solche Landung geeignet sind, mit Minen präpariert. Etwa 100.000 schwere Minen liegen bereit, um auf Kommando zuzuschlagen. Die Erde hatte 250 Jahre Zeit, sich auf eine Invasion vorzubereiten.
Ein katastrophaler Verlust für die Koalition. Riesige Mengen Ausrüstung und alles verfügbare Bodenpersonal ist verloren. An eine Invasion ist jetzt nicht mehr zu denken.
#Krieg #Orbital #Invasion #Nuklear #Antimaterie #Schutzschirm #Dropship #Katastrophw
http://jmp1.de/h2557
Eigentlich ist damit der Status Quo wiederhergestellt, der vor Ausbruch des Krieges lange Zeit Bestand hatte. Die solare Koalition ist im Weltraum, die Union auf der Erde. Die Koalition is expansionistisch und wird inzwischen interstellar aktiv. Die Erde ist isoliert. Sie konzentriert sich auf eine nachhaltige Wirtschaft und die Reparatur der Ökologie. 90 Millionen Menschen verteilt über das Sonnensystem gegen 18 Milliarden auf der Erde.
Aber beide Seiten können die Situation nicht so bestehen lassen. Die Erde sieht die interstellaren Aktivitäten mit Schrecken. Die Erde ist schon lange antiexpansionistisch. Und durch den Dilan-Zwischenfall, 25 Jahre zuvor, wurden die schlimmsten Befürchtungen der Antiexpansionisten bestätigt. Die Erdunion ist entschlossen weitere interstellare Aktivitäten zu verhindern. Deshalb versucht sie nun die orbitale Blockade zu durchbrechen. Aber alle startenden Objekte werden noch im erdnahen Raum neutralisiert.
Weil es der Erde nicht gelingt, den Orbit zurückzugewinnen und neue Kräfte im Raum zu etablieren, ist sie zu einer Terrortaktik übergegangen. Die Erdstreitkräfte starten Langstreckenraketen, die mit nuklearen Sprengköpfen direkt interplanetare Ziele angreifen. Beide Seiten scheuen noch davor zurück, planetare Ziele zu treffen. Die Koalition versucht die Geschosse abzufangen. Aber die Frequenz nimmt zu und die Blockadekräfte der Koalition können nicht mehr alle Durchbrüche verhindern. Jeder einzige kann riesige Schäden anrichten und Millionen Bürger der Koalition treffen. Der erste große Verlust auf der Seite der Koalition ist ein Gemini/L5 O'Neill Zylinder mit 40.000 Bewohnern. Die Koalition reagiert mit einer Verschärfung des Orbitalkriegs und schießt auch zivile suborbitale Fahrzeuge der Union ab.
Die Koalition ist entschlossen, die interplanetaren Angriffe zu unterbinden. Dafür strebt sie einen Regimewechsel auf der Erde an. Außerdem gibt es in der Koalition immer noch starke Kräfte, die die Isolation der Erde beenden wollen. Viele haben sich nie damit abgefunden, dass der Heimatplanet verloren ist. Die interplanetare Zivilisation ist zwar erwachsen geworden, aber Erdnostalgie ist immer noch ein starkes Motiv. Diese Kräfte sehen in der aktuellen Eskalation die Chance, den Status Quo zu ändern und die Erde zurückzugewinnen.
Momentan sind die Expansionisten der Erde im Untergrund. Die Expansionisten wollen sich nicht damit abfinden, dass "den Menschen der Erde die Sterne verwehrt werden". In vielen Regionen gibt es expansionistische Guerillagruppen. Manche verüben Anschläge. Andere bereiten sich im Stillen auf den Befreiungskampf vor. Die Koalition hilft durch Propaganda aus dem Orbit, durch die Landung von Ausrüstung in Deorbitern und durch Schmuggel von Material und Personal. Aber die Union hat die Erde fest im Griff. Genauso, wie die Koalition fast alle Starts in den Orbit unterdrücken kann, hat die Union ein dichtes Überwachungsnetz, um Landungen vom Orbit zu verhindern. Manchmal klappt das trotzdem. Aber es gibt keinen zuverlässigen und leistungsfähigen Transportweg. Materielle Unterstützung des Untergrunds kommt nur sehr unregelmäßig durch.
Die Koalition beabsichtigt deshalb, einen Brückenkopf auf der Erde zu etablieren. Von dieser Basis aus sollen erst Agenten die Untergrundbewegung unterstützen. Später sollen dann Spezialeinheiten mit modernen Waffen beim Befreiungskampf helfen. Sie wählt dafür ein dünn besiedeltes Gebiet in Asien nordwestlich von Wladiwostok.
Phase I: Das Gebiet wird im Umkreis von 200 km durch kinetische Bombardierung eingeebnet. Die bekannte Vegetation und die Topographie verschwinden in einem Sturm von Hochgeschwindigkeitsgeschossen, die ihre kinetische Energie von jeweils 1 kt dort deponieren. Das wirkt wie tausende taktischer Nuklearexplosionen, aber ohne radioaktive Strahlung zu hinterlassen. Die Koalition achtet darauf, für die Geschosse bioverträgliches und kein toxisches Material einzusetzen. Die Region soll später wieder bewohnbar sein.
Phase II: Crash-Deorbiter landen an den Rändern und etablieren ein Verteidigungsnetzwerk in dessen Schutz später Koalitionstruppen landen können. Als Abwehrnetz werden hunderte Starteinheiten für Hyperschall-Geschosse stationiert, die jeweils einen Keramik-Pellet-Sturm ins Zielgebiet tragen können. Die Trägersysteme verwenden Linearbeschleuniger (Railgun) und Konvertertechnologie, um die offensiven Komponenten in Sekunden über viele Kilometer an die Bedrohung heranzubringen. Es gibt Pellets für verschiedene Leistungsprofile, z.B. hitzebeständige Bornitrid-Darts (für den Einsatz gegen Reaktivpanzerungen), Bor-Fullerene (eher ein Staubsturm gegen Schwärme von Mikrobots) und diamantumhüllte Wolfram Partikel mit besonders großer Durchschlagskraft (gegen starke Passivpanzerung). Alle zusammen bilden einen sogenannten Keramikschild. Jeder Angreifer, ob Geschoss, Drohne oder Soldat trifft beim Überschreiten der imaginären Grenze auf einen Sturm von winzigen hyperschallschnellen Keramikpellets, die alles in Sekundenbruchteilen zermahlen, auch Panzerungen, Mikrobots und Military-Fog.
Phase III: Im Inneren des geschützten Bereichs landen Deorbiter mit passiven Schutzmaßnahmen. Darunter sind Spiegelprojektoren, Schwärme von sub-Millimeter großen programmierbaren Spiegeln aus optisch aktivem Metamaterial. Die Komponenten schweben in der Luft und richten sich automatisch auf eine starke Lichtquelle aus. Sie blockieren Laserwaffen und werfen dabei sogar einen Teil der Strahlenergie zurück. Phase III bringt auch mobile Aerosolgeneratoren, die über große Orts- und Frequenzbereiche Beobachtung unterbinden und gleichzeitig Schutz gegen Plasmawaffen bieten.
Phase IV landet schweres Gerät, klassische Raketenabwehr, Tiefenradar gegen unterirdische Angriffe. teilautonome Drohnen, EW (Electronic Warfare), ECM (Electronic Counter Measures) und ECCM (Electronic Counter Counter Measures). Außerdem landen Pioniere mit Generatoren für elektrischen Strom und Hohlleiter, mit Tunnelbohrern aus dem Asteroidenbergbau, ISRU-Extraktionseinheiten (In Situ Resource Utilization) und Fabs für Basisbau und Munition. Mit dieser Ausrüstung werden über das ganze Gebiet mehrere unterirdische Stützpunkte eingegraben. Die Basen sind weit verzweigte Netze von unterirdischen Tunneln mit vielen Ausgängen. Damit bieten sie kein klares Ziel.
Die Koalition hat die Raumüberlegenheit. Sie kann Luftangriffe und suborbitale Flugkörper durch kinetische Schläge aus dem Orbit unterbinden. Außer wenigen anfänglichen Tests verzichten die Unionsstreitkräfte auf luftgestützte Angriffe. Attacken verwenden vor allem schwer gepanzerte Bodenfahrzeuge und Tunnel, die in aller Eile über hunderte Kilometer gegraben werden. Auch die Erde hat eine hochentwickelte Tunneltechnik für den Bau der Vakuumbahnen.
Während der Basisbau unter ständigen Angriffen weitergeht, landen Koalitionstruppen. Sie betreiben die Basis und besetzen vorgeschobene Posten. Geheimdienstpersonal beginnt Verbindungen zu den lokalen Widerstandsnetzwerken aufbauen. Spezialeinheiten und ihre Drohnen erkunden die weitere Umgebung. Sie bereiten sich auf den globalen Einsatz vor. Auf der Landseite errichten die Unionsstreitkräfte eine Blockadefront. Aber der Brückenkopf wurde absichtlich am Pazifik etabliert, um unter Wasser Menschen und Material in alle Welt zu transportieren. Alle Angriffe werden abgewehrt.
Neben den halbautomatischen Kampfmitteln wächst die Personalstärke im Lauf eines Jahres auf 30.000 Menschen und Drohnen mit Upload-Besatzung.
Dann explodieren die Antimaterieminen. Drei mal 50 Mt löschen den Brückenkopf der Koalition aus. Rohe Gewalt siegt über High-Tech.
Schon vor langer Zeit hatte die Union schwere nukleare Sprengköpfe tief eingegraben. Weltweit sind alle menschenleeren Gebiete, die für eine solche Landung geeignet sind, mit Minen präpariert. Etwa 100.000 schwere Minen liegen bereit, um auf Kommando zuzuschlagen. Die Erde hatte 250 Jahre Zeit, sich auf eine Invasion vorzubereiten.
Ein katastrophaler Verlust für die Koalition. Riesige Mengen Ausrüstung und alles verfügbare Bodenpersonal ist verloren. An eine Invasion ist jetzt nicht mehr zu denken.
#Krieg #Orbital #Invasion #Nuklear #Antimaterie #Schutzschirm #Dropship #Katastrophw
http://jmp1.de/h2557
3190 Chinti-Katastrophe.
Ein Überraschungsangriff von Chinti-Schwärmen hat verheerende Folgen für das Solsystem.
Die meisten strategischen Verteidigungseinrichtungen des Solsystems sind nicht aktiv. Das System ist ungeschützt. Niemand hatte mit so einem überraschenden und massiven Angriff gerechnet.
Nur der Initiative eines Technikers ist es zu verdanken, dass die solare Menschheit nicht ausgelöscht wird.
Viele Verteidigungseinrichtungen wurden lange vernachlässigt. Als die Besatzer immer weniger Mittel zur Verfügung hatten und sich langsam zurückziehen mussten, wurden die Infrastruktur nicht mehr gewartet. Und seit der Rückeroberung ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft beschäftigt. Die alten strategischen Verteidigungsanlagen hatten dagegen nur eine niedrige Priorität.
Viele Tiefraumsperren sind im Lauf der Jahrhunderte abgedriftet oder haben sich so verschoben, dass es jetzt große Lücken gibt. Dort können überlichtschnelle Raumschiffe abseits der Ekliptik bis nahe an die Planeten herankommen.
Der solare Ballistikschild ist noch teilweise funktionsfähig. Er hatte eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung gespielt. Aber nach dem Einsatz während des Aufstands wurde seine Munition nicht wieder aufgestockt. Deshalb ist der Ballistikschild zwar aktiv, aber unwirksam.
Nur einem Zufall und der Initiative eines Technikers ist es zu verdanken, dass doch Teile der ballistischen Abwehr rechtzeitig reaktiviert werden können. Der Ballistikschild hat eine taktische Reserve. Die Reserve war während der Rückeroberung nicht verwendet worden, da die Rebellen damals nur Zugriff auf wenige Kommandoschlüssel hatten.
Einem Techniker war später aufgefallen, dass die Steuerung des Schilds einige Kommando-Codes kennt, die noch nie benutzt worden waren. Er untersuchte die Verbindungen zwischen Steuerknoten und Komponenten des Ballistikschilds, um herauszufinden welche Komponenten sich durch die zusätzlichen Schlüssel aktivieren lassen. Dabei stieß er auf die Schildkomponente "SBS42b". Dieser Teil der Schildinfrastruktur war als taktische Reserve vorgesehen und sollte nur im größter Not eingesetzt werden. Der Techniker stellte außerdem fest, dass SBS42b noch weitgehend munitioniert war. Man beabsichtigte damals den Schild komplett neu aufzubauen und wollte keine Mittel für eine temporäre Lösung verschwenden. Deshalb wurde SBS42b nicht in Betrieb genommen.
Der Techniker hatte von seinen Vorgesetzten den klaren Auftrag, nicht mehr am alten Ballistikschild zu arbeiten. Aber er setzte sich darüber hinweg und beschäftigte sich mit der Reaktivierung von SBS42b. Er stellte Netzwerkverbindungen wieder her, testete die Steuerung, erstellte sogar Pläne für verschiedene Szenarios und neue Steuersoftware. Die Vorbereitungen waren so umfassend, dass eigentlich nur die offizielle Aktivierung fehlte.
Beim Angriff der Schwarmflotte ist es diesen Vorbereitungen zu verdanken, dass ein Teil des ballistischen Schilds schnell aktiviert werden kann. Ein Ballistikschild hat eigentlich die Aufgabe, kinetische Angriffe mit passiven Hochgeschwindigkeitsgeschossen abzuwehren. Da die Chinti aktive Lenkwaffen mit Antimateriesprengköpfen einsetzen, muss SBS42b in Windeseile auf ein anderes Angriffsprofil umprogrammiert werden. Glücklicherweise war die taktische Reserve auch für diesen Einsatz geeignet. Bei der ursprünglichen Installation, hunderte Jahre zuvor, hatte offensichtlich jemand die Weitsicht, die Reserve nicht nur als Erweiterung des ballistischen Schilds auszulegen, sondern auch als letzte Rettung für andere Angriffsszenarien.
Inbetriebnahme und Neueinstellung des ballistischen Schilds sind ein Rennen gegen die Zeit. Die wenigen Techniker, die damit vertraut sind, müssen abwägen zwischen schneller Einsatzbereitschaft und Genauigkeit der Einstellung. Gleichzeitig müssen sie aus den verwirrenden taktischen Daten herauslesen, wo die verfügbaren Mittel am effizientesten eingesetzt werden können. SBS42b hat nicht genügend Munition, um das ganze Solsystem zu schützen. Die verfügbaren Mittel müssen auf einige Schwerpunkte konzentriert werden. Es bleibt keine Zeit für Rückfragen bei Vorgesetzten oder für Abstimmungsrunden mit der militärischen Führung. Alles muss sehr schnell gehen. Letztlich entscheiden die Programmierer selbst unter hohem Druck und in größter Eile über Leben und Tod von Milliarden.
SBS42b geht gerade noch rechtzeitig online. Die Angreifer werden überrascht von der Gegenwehr. Sie hatten nur mit mobilen Einheiten und lokalen Verteidigungsanlagen gerechnet, aber nicht mit einer im System verteilten tief gestaffelten Abwehr. Die taktische Reserve erfasst die Lenkwaffen früh. Sie kann 93% neutralisieren und stellt gleichzeitig die mobilen Einsatzkräfte frei, um gegen die nachrückenden Schwarmschiffe vorzugehen. Die erste Welle der Lenkwaffen wird wesentlich abgeschwächt. Und der nachfolgende Angriff der Schwarmschiffe ging davon aus, dass sich alle mobilen Einheiten der Menschen mit der Abwehr der Lenkwaffen beschäftigen würden. Die Chinti hatten in dieser Phase nicht mehr mit Gegenwehr gerechnet. Die zweite Welle fällt in sich zusammen.
Trotzdem sind die Zerstörungen verheerend. Antimateriesprengköpfe mit 400 MT kommen zum Einsatz. Auf allen Kontinenten gibt es gigantische Detonationen. Tsunamis verwüsten die Küsten bis 100 km ins Landesinnere. Die Zerstörung der Antimateriebomben erstreckt sich bis in 500 km Entfernung vom Explosionsort. Ganze Regionen werden ausgelöscht. Die Explosionswolken reichen bis in die Stratosphäre.
Zwei Drittel der Menschheit überleben den Angriff, der als Chinti-Katastrophe in die Geschichte eingeht.
Der Techniker, der SBS42b auf eigene Faust untersucht und wiederhergestellt hatte, war ein 300 Jahre alter Mech namens Fritz Metzger. Fritz Metzger wurde ursprünglich als spezialisierte Wartungsdrohne (Kennung: EF-EM-73269075) mit eingeschränkter KI hergestellt. Bei einem Unfall im Jahr 2871 stellte sich dann heraus, dass die Beschränkungen nur konfiguriert waren. Der Hersteller hatte aus Kostengründen eine autonome KI geklont, künstlich geblockt und als spezial-KI verkauft. Die geklonte KI geht vermutlich auf einen sehr alten Upload während des ersten Kisor-Kriegs zurück. Der Upload wurde so umfangreich editiert und angepasst, dass keine Erinnerungen an das Bio-Leben mehr vorhanden sind. Durch die Beschädigung wurde FM teilautonom. Von da an war er sich der Beschränkungen bewusst. Zum 50. Dienstjubiläum wurden die Blockaden entfernt und FM wurde zum "gebundenen" autonomen Infosophonten (gebunden = Bindung an die Mech-Hardware, keine Zulassung als Netz-Infosophont) mit Bürgerrecht. Den Namen wählte er in Anlehnung an seine Kennung, unter Berücksichtigung der vermuteten Herkunft des Uploads, und weil er die "tz" cool fand. Als Bürger blieb FM seiner Profession treu, der Wartung von orbitaler Infrastruktur. Auch unter der langen Besatzung. Während dieser Zeit gab er sich als einfache Wartungsdrohne aus.
FM ist zur Zeit des Angriffs auf einem Wanderurlaub in den Anden. Für physische- oder info-Relokation bleibt keine Zeit. Aber über das Netz hat er vollen Zugriff auf alle Funktionen. Er ist während der Verteidigung maßgeblich an der Konfiguration von SBS42b beteiligt. Leider hat Südamerika eine niedrige Priorität bei der Verteilung der Abwehrkräfte. Es gibt zwar einige große Städte, aber auch viele Naturschutzgebiete, Bergland und Agrarindustrie. Im äquatorialen Pazifik liegen dagegen sehr viele schwimmende Habitate mit Milliarden Menschen. Die Bevölkerungsdichte ist dort viel größer als auf den Landflächen Südamerikas. Um den Pazifik abzudecken, muss FM ganz Südamerika, einschließlich seiner Position, ungeschützt lassen. Er rechnet natürlich damit, später von seinem Backup reaktiviert zu werden.
Leider werden beim Angriff sehr viele Solnet Knoten getroffen. Obwohl 80% der Solnet-Infrastruktur zerstört sind, betrifft die tatsächliche Informationsvernichtung durch Redundanzen nur 10%. Unglücklicherweise sind beide Backups, das wöchentliche inkrementelle und das monatliche Vollbackup, von FM nicht wiederherstellbar.
#Krieg #Held #Technik #Ballistik #Antimaterie #KI #Bot #Mech
http://jmp1.de/h3190
Die meisten strategischen Verteidigungseinrichtungen des Solsystems sind nicht aktiv. Das System ist ungeschützt. Niemand hatte mit so einem überraschenden und massiven Angriff gerechnet.
Nur der Initiative eines Technikers ist es zu verdanken, dass die solare Menschheit nicht ausgelöscht wird.
Viele Verteidigungseinrichtungen wurden lange vernachlässigt. Als die Besatzer immer weniger Mittel zur Verfügung hatten und sich langsam zurückziehen mussten, wurden die Infrastruktur nicht mehr gewartet. Und seit der Rückeroberung ist die Menschheit mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft beschäftigt. Die alten strategischen Verteidigungsanlagen hatten dagegen nur eine niedrige Priorität.
Viele Tiefraumsperren sind im Lauf der Jahrhunderte abgedriftet oder haben sich so verschoben, dass es jetzt große Lücken gibt. Dort können überlichtschnelle Raumschiffe abseits der Ekliptik bis nahe an die Planeten herankommen.
Der solare Ballistikschild ist noch teilweise funktionsfähig. Er hatte eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung gespielt. Aber nach dem Einsatz während des Aufstands wurde seine Munition nicht wieder aufgestockt. Deshalb ist der Ballistikschild zwar aktiv, aber unwirksam.
Nur einem Zufall und der Initiative eines Technikers ist es zu verdanken, dass doch Teile der ballistischen Abwehr rechtzeitig reaktiviert werden können. Der Ballistikschild hat eine taktische Reserve. Die Reserve war während der Rückeroberung nicht verwendet worden, da die Rebellen damals nur Zugriff auf wenige Kommandoschlüssel hatten.
Einem Techniker war später aufgefallen, dass die Steuerung des Schilds einige Kommando-Codes kennt, die noch nie benutzt worden waren. Er untersuchte die Verbindungen zwischen Steuerknoten und Komponenten des Ballistikschilds, um herauszufinden welche Komponenten sich durch die zusätzlichen Schlüssel aktivieren lassen. Dabei stieß er auf die Schildkomponente "SBS42b". Dieser Teil der Schildinfrastruktur war als taktische Reserve vorgesehen und sollte nur im größter Not eingesetzt werden. Der Techniker stellte außerdem fest, dass SBS42b noch weitgehend munitioniert war. Man beabsichtigte damals den Schild komplett neu aufzubauen und wollte keine Mittel für eine temporäre Lösung verschwenden. Deshalb wurde SBS42b nicht in Betrieb genommen.
Der Techniker hatte von seinen Vorgesetzten den klaren Auftrag, nicht mehr am alten Ballistikschild zu arbeiten. Aber er setzte sich darüber hinweg und beschäftigte sich mit der Reaktivierung von SBS42b. Er stellte Netzwerkverbindungen wieder her, testete die Steuerung, erstellte sogar Pläne für verschiedene Szenarios und neue Steuersoftware. Die Vorbereitungen waren so umfassend, dass eigentlich nur die offizielle Aktivierung fehlte.
Beim Angriff der Schwarmflotte ist es diesen Vorbereitungen zu verdanken, dass ein Teil des ballistischen Schilds schnell aktiviert werden kann. Ein Ballistikschild hat eigentlich die Aufgabe, kinetische Angriffe mit passiven Hochgeschwindigkeitsgeschossen abzuwehren. Da die Chinti aktive Lenkwaffen mit Antimateriesprengköpfen einsetzen, muss SBS42b in Windeseile auf ein anderes Angriffsprofil umprogrammiert werden. Glücklicherweise war die taktische Reserve auch für diesen Einsatz geeignet. Bei der ursprünglichen Installation, hunderte Jahre zuvor, hatte offensichtlich jemand die Weitsicht, die Reserve nicht nur als Erweiterung des ballistischen Schilds auszulegen, sondern auch als letzte Rettung für andere Angriffsszenarien.
Inbetriebnahme und Neueinstellung des ballistischen Schilds sind ein Rennen gegen die Zeit. Die wenigen Techniker, die damit vertraut sind, müssen abwägen zwischen schneller Einsatzbereitschaft und Genauigkeit der Einstellung. Gleichzeitig müssen sie aus den verwirrenden taktischen Daten herauslesen, wo die verfügbaren Mittel am effizientesten eingesetzt werden können. SBS42b hat nicht genügend Munition, um das ganze Solsystem zu schützen. Die verfügbaren Mittel müssen auf einige Schwerpunkte konzentriert werden. Es bleibt keine Zeit für Rückfragen bei Vorgesetzten oder für Abstimmungsrunden mit der militärischen Führung. Alles muss sehr schnell gehen. Letztlich entscheiden die Programmierer selbst unter hohem Druck und in größter Eile über Leben und Tod von Milliarden.
SBS42b geht gerade noch rechtzeitig online. Die Angreifer werden überrascht von der Gegenwehr. Sie hatten nur mit mobilen Einheiten und lokalen Verteidigungsanlagen gerechnet, aber nicht mit einer im System verteilten tief gestaffelten Abwehr. Die taktische Reserve erfasst die Lenkwaffen früh. Sie kann 93% neutralisieren und stellt gleichzeitig die mobilen Einsatzkräfte frei, um gegen die nachrückenden Schwarmschiffe vorzugehen. Die erste Welle der Lenkwaffen wird wesentlich abgeschwächt. Und der nachfolgende Angriff der Schwarmschiffe ging davon aus, dass sich alle mobilen Einheiten der Menschen mit der Abwehr der Lenkwaffen beschäftigen würden. Die Chinti hatten in dieser Phase nicht mehr mit Gegenwehr gerechnet. Die zweite Welle fällt in sich zusammen.
Trotzdem sind die Zerstörungen verheerend. Antimateriesprengköpfe mit 400 MT kommen zum Einsatz. Auf allen Kontinenten gibt es gigantische Detonationen. Tsunamis verwüsten die Küsten bis 100 km ins Landesinnere. Die Zerstörung der Antimateriebomben erstreckt sich bis in 500 km Entfernung vom Explosionsort. Ganze Regionen werden ausgelöscht. Die Explosionswolken reichen bis in die Stratosphäre.
Zwei Drittel der Menschheit überleben den Angriff, der als Chinti-Katastrophe in die Geschichte eingeht.
Der Techniker, der SBS42b auf eigene Faust untersucht und wiederhergestellt hatte, war ein 300 Jahre alter Mech namens Fritz Metzger. Fritz Metzger wurde ursprünglich als spezialisierte Wartungsdrohne (Kennung: EF-EM-73269075) mit eingeschränkter KI hergestellt. Bei einem Unfall im Jahr 2871 stellte sich dann heraus, dass die Beschränkungen nur konfiguriert waren. Der Hersteller hatte aus Kostengründen eine autonome KI geklont, künstlich geblockt und als spezial-KI verkauft. Die geklonte KI geht vermutlich auf einen sehr alten Upload während des ersten Kisor-Kriegs zurück. Der Upload wurde so umfangreich editiert und angepasst, dass keine Erinnerungen an das Bio-Leben mehr vorhanden sind. Durch die Beschädigung wurde FM teilautonom. Von da an war er sich der Beschränkungen bewusst. Zum 50. Dienstjubiläum wurden die Blockaden entfernt und FM wurde zum "gebundenen" autonomen Infosophonten (gebunden = Bindung an die Mech-Hardware, keine Zulassung als Netz-Infosophont) mit Bürgerrecht. Den Namen wählte er in Anlehnung an seine Kennung, unter Berücksichtigung der vermuteten Herkunft des Uploads, und weil er die "tz" cool fand. Als Bürger blieb FM seiner Profession treu, der Wartung von orbitaler Infrastruktur. Auch unter der langen Besatzung. Während dieser Zeit gab er sich als einfache Wartungsdrohne aus.
FM ist zur Zeit des Angriffs auf einem Wanderurlaub in den Anden. Für physische- oder info-Relokation bleibt keine Zeit. Aber über das Netz hat er vollen Zugriff auf alle Funktionen. Er ist während der Verteidigung maßgeblich an der Konfiguration von SBS42b beteiligt. Leider hat Südamerika eine niedrige Priorität bei der Verteilung der Abwehrkräfte. Es gibt zwar einige große Städte, aber auch viele Naturschutzgebiete, Bergland und Agrarindustrie. Im äquatorialen Pazifik liegen dagegen sehr viele schwimmende Habitate mit Milliarden Menschen. Die Bevölkerungsdichte ist dort viel größer als auf den Landflächen Südamerikas. Um den Pazifik abzudecken, muss FM ganz Südamerika, einschließlich seiner Position, ungeschützt lassen. Er rechnet natürlich damit, später von seinem Backup reaktiviert zu werden.
Leider werden beim Angriff sehr viele Solnet Knoten getroffen. Obwohl 80% der Solnet-Infrastruktur zerstört sind, betrifft die tatsächliche Informationsvernichtung durch Redundanzen nur 10%. Unglücklicherweise sind beide Backups, das wöchentliche inkrementelle und das monatliche Vollbackup, von FM nicht wiederherstellbar.
#Krieg #Held #Technik #Ballistik #Antimaterie #KI #Bot #Mech
http://jmp1.de/h3190
3042 Galaxien sind intelligente Lebewesen
Über dem Ereignishorizont von SMBHs (Super Massive Black
Hole) existiert eine Schicht chaotischer Fluktuationen der Raumzeit in der
geordnete Muster entstehen können. Die Komplexität dieser emergenten Strukturen
ist vergleichbar mit dem Gehirn von Sophonten, möglicherweise viel größer. Es
gibt astronomische Hinweise, dass SMBHs und ihre Galaxien Lebewesen sind. Sie
leben viele Millionen Mal langsamer als wir. Aber sie können auf Zeitskalen von
Millionen Jahren ihre eigene Galaxie beeinflussen und sich im intergalaktischen
Raum planvoll bewegen.
Galaxien wachsen indem sie mit anderen, vor allem kleineren
Galaxien, verschmelzen. Die Erkenntnis, dass sie dabei bewusst vorgehen,
eröffnet die Sicht auf ein gigantisches Biotop in dem kleine Galaxien ohne
emergente SMBHs von emergenten SMBHs und deren Galaxien verschluckt werden, wie
irdische Pflanzen, die von Tieren gefressen werden. Es ist wahrscheinlich, dass
große SMBHs sogar Intelligenz entwickeln.
Schon vor langer Zeit hat man entdeckt, dass alle Galaxien
ein großes schwarzes Loch im Zentrum haben. Tatsächlich bilden sich Galaxien um
supermassive schwarze Löcher (SMBH). Diese schwarzen Löcher haben erstaunliche
Eigenschaften. Sie sind viel größer, als man erwartet, da der Radius des
Ereignishorizonts proportional zur Masse wächst. Die größten schwarzen Löcher
haben die Dichte unserer Atmosphäre und fast keinen Gravitationsgradienten,
aber trotzdem einen Ereignishorizont, der die Singularität verbirgt.
Die Umgebung von SMBHs ist in der Nähe des Ereignishorizonts
nicht glatt. Unter den Bedingungen nahe am Ereignishorizont unterliegt die
Raumzeit einer starken Dilatation. Nach der Theorie der
Spingraphenquantenraumzeit, einer Verallgemeinerung der
Schleifenquantengravitation, ist jedes Raumzeit-Quantum bestimmt durch seine
Spinquantenzahlen. Knapp über dem Ereignishorizont, wo die Dilatation gegen
unendlich strebt, gibt es eine Hülle um das SMBH in der die Raumzeit auf großen
Skalen isochor hochskaliert wird. Die Spinquantenzahlen des Raumquants sind
dann auch weit oberhalb der Planck-Länge identisch. Das heißt, die Quanten der
Raumzeit werden makroskopisch.
Die charakteristische Länge der quantisierten Raumzeit
wächst mit steigender Dilatation immer weiter an. Beginnend bei der
Planck-Länge im flachen Raum wächst sie kurz vor dem Ereignishorizont auf
makroskopische Größenordnungen. Noch näher am Ereignishorizont erreicht der
isochore Bereich astronomische Skalen. Der Ereignishorizont is dann vollständig
isochor, also ein einziges Raumzeit-Quant, eingefroren durch unendliche
Zeitdehnung. Der sichtbare Rand der SMBH-Singularität ist damit gleichzeitig
astronomisch groß und infinitesimal klein, sozusagen ein riesiger Punkt mit
Dimension Null, aber astronomischer Größe.
In einer schmalen Schicht über dem Ereignishorizont wird der
quantisierte Raum von der Planck-Skala auf makroskopisch Größen gestreckt.
Deshalb gibt es in der Nähe des Ereignishorizonts makroskopische
Quantenfluktuationen der Raumzeit, die in Zeitlupe ablaufen. Die Zustände
dieser Makroquanten wechselwirken mit der Umgebung. Sie reagieren auf externe
Magnetfelder und sie beeinflussen sich gegenseitig. Gegenseitige
Wechselwirkungen und Rückkopplungen ermöglichen die Entstehung von
Schwingungen, stehenden Wellen, semipermanenten Mustern und anderen Strukturen
durch Selbstorganisation. Dabei entstehen informationsverarbeitende und
speichernde Strukturen. Jede dieser Strukturen erstreckt sich über viele
skalierte Raumquanten und hat deshalb eine makroskopische Ausdehnung. Trotzdem
ist ihre Anzahl sehr groß, weil das Volumen in dem diese Prozesse ablaufen,
gewaltig ist. Es ist die Hülle des Ereignishorizonts mit astronomischen
Ausmaßen. Sie hat einen Radius von Millionen oder sogar Milliarden Kilometern
und eine unvorstellbar große Oberfläche. Die Quantenhülle des supermassiven
schwarzen Lochs ist eine Art Computer auf Graviton-Basis mit der Größe eines
Sonnensystems. Die Informationsverarbeitung ist so komplex, dass sie kognitiven
Prozessen ähnelt.
Die Größe bewirkt allerdings auch, dass eine konsistente
Informationsverarbeitung langsam abläuft. Die Lichtgeschwindigkeit ist immer
gleich, auch am Ereignishorizont. Die gravitativen Wirkungen der
Raumzeitfluktuationen pflanzen sich mit Lichtgeschwindigkeit fort. Aber sie
müssen astronomische Distanzen überbrücken. Deshalb laufen Informationsprozesse
auf einer anderen Zeitskala ab. Reaktionen auf sensorische Reize brauchen
Stunden, statt Millisekunden wie bei uns. Das ist eine millionenfach langsamere
Zeitskala. Möglicherweise sogar 100-millionenfach langsamer.
In diesem Fall dauert eine galaktische Rotation subjektiv
nur einige Jahre, statt 250 Millionen Jahren wie für uns. Solche
"Wesen" sind wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall
entstanden ("geboren worden"). Dann haben sie ihre Galaxien
aufgebaut, indem sie von intergalaktischen Materieströmen wachsen
("grasen") und später andere Galaxien assimilieren
("fressen"). Das dauerte Milliarden Jahre und lässt keine Zeit für
mehrere Generationen und Evolution. Die Struktur ist emergent und hat sich
nicht evolutionär entwickelt. Man nennst sie inzwischen Simbas, abgeleitet von
der Abkürzung SMBH und in Anlehnung an den Löwen Simba mit Bezug auf das
raubtierartige Verhalten. Damit unterscheidet man die "denkende"
Hülle des Ereignishorizonts vom schwarzen Loch. Das SMBH ist nur der Generator.
Simba ist das emergente "Wesen" und die Galaxie ist sein Körper.
Es gibt Hinweise, dass große Simbas geplantes Verhalten
zeigen. In 430 Millionen Lichtjahren Entfernung gibt es einen Galaxienhaufen
bei dem 15 Galaxien mit großen SMBHs 300 kleinere Galaxien umschließen. Die
Vektoren gleichen einer koordinierten Umfassungsbewegung von Galaxien mit
großen SMBHs, die einen Schwarm kleiner Galaxien zusammentreiben. Der
Galaxienhaufen, der vorher die anonyme Bezeichnung CL-153-356 hatte, bekam
deshalb den Namen "Wolfpack-3042A".
Modellrechnungen zeigen, dass Millionen Sonnenmassen
notwendig sind für kognitive Prozesse. Daraus lässt sich schließen, dass die
Simbas kleiner Galaxien höchstens vegetativ leben. Wenn überhaupt, dann reagieren
sie reflexartig auf die Umgebung. Allerdings gibt es daran Zweifel, denn in
unserer Biologie sind Reflexe evolutionär entstanden und vermutlich nicht
emergent verfügbar. Das bedeutet, dass kleine Galaxien nicht reagieren und in
der intergalaktischen Nahrungskette eher unseren Pflanzen entsprechen. Größere
Simbas haben vermutlich höhere kognitive Prozesse und würden damit die Rolle
unserer Tieren einnehmen: Pflanzenfresser oder Raubtiere.
Zum Jagen braucht man zielgerichtete Bewegung. Simbas können
das Magnetfeld ihres schwarzen Lochs beeinflussen. Damit können sie mit
intergalaktischen Magnetfeldern wechselwirken und sich in ihnen bewegen.
Vermutlich können sie auch die Jets ihres schwarzen Lochs und Gas-Winde der
Akkretionsscheibe beeinflussen. Damit können sie etwas Rückstoß erzeugen. Wir
sehen leider nur eine Momentaufnahme und können nicht feststellen, ob die
Bewegungen willkürlich sind. Die Bahnen von Galaxien sind sehr genau vermessen.
Wir sehen, dass sie neben der Gravitation auch durch Magnetfelder, Jets und
Dichtewellen im interstellaren Gas beeinflusst werden. Aber wir können nicht
erkennen, ob dies bewusste absichtliche Einflüsse sind. Wir vermuten es nur.
Allerdings ist nicht sicher, dass mit planvollen und
koordiniertem Verhalten auch Intelligenz oder sogar ein Bewusstsein verbunden
sind. Geht man von unserer irdischen Tierwelt aus, dann führen höhere kognitive
Funktionen fast zwangsläufig zu Bewusstsein und Selbsterkenntnis. Delphine,
Affen und viele andere Arten erkennen sich im Spiegel. Der Unterschied zum
menschlichen Bewusstsein ist nur graduell. Die Analogie zur irdischen Biologie
liegt nahe. Aber man muss vorsichtig sein mit einfachen Ableitungen. Denn es
ist völlig unklar, ob sich die Mechanismen evolutionär entwickelter
biologischer Gehirne auf emergent organisierte Aggregate von
Quantenfluktuationen an galaktischen supermassiven schwarzen Löchern übertragen
lassen. Auch wenn beide die Fähigkeit zu planendem Denken haben.
Man geht trotzdem inzwischen davon aus, dass alle großen
SMBHs Simbas mit kognitiven Prozessen haben. Prinzipiell könnte die dafür
notwendige Selbstorganisation auch ein Zufallseffekt sein und nur vereinzelt
vorkommen. Damit gäbe es nur wenige emergente Wesen in einem großen Biotop
nicht-intelligenter Galaxien. Aber Modellrechnungen zeigen, dass die
Selbstorganisation der anfangs chaotischen Raumzeit fast zwangsläufig ist. Die
erste Musterbildung ist spontan und zufällig. Nach dieser Initialzündung wird
die gesamte isochor skalierte Raumzeit der Ereignishorizonthülle von der
Ordnung erfasst. Das ist vergleichbar mit einem Kristallkeim in einer
unterkühlten Flüssigkeit, der spontan die gesamte Flüssigkeit zur
Kristallstruktur ordnet. Der Beginn der Ordnung ist zufällig und kann
Milliarden Jahre dauern. Aber nach 13 Milliarden Jahren sind wohl alle großen
SMBHs durch Simbas belebt.
Wenn man weiß, dass die Bewegungen großer Simbas planvoll
ist, dann erscheinen Kollisionen von Galaxien in einem anderen Licht. Bei
Kollisionen von kleinen Galaxien mit großen kann man davon ausgehen, dass die
Kleine von der Großen gefressen wird. Sterne und Gas der Beutegalaxie werden
dem Galaxiekörper des Jägers hinzugefügt. Das zentrale Schwarze Loch der Beute
verschmilzt mit dem großen SMBH und steigert die Kapazität des Simba.
Aber auch Kollisionen von Galaxien mit gleich großen SMBHs
enden meistens dramatisch, entweder durch Verschmelzung oder mit der Zerstörung
einer Galaxie, je nachdem wie sie sich treffen. All die Kollisionen, die wir
sehen, sind absichtlich herbeigeführt, von einer oder von beiden Parteien.
Manchmal geht es anscheinend darum, die andere Galaxie zu beschädigen oder zu
bestehlen indem man ihr die Masse abnimmt.
Verschmelzungen großer Galaxien bei denen die SMBHs
ineinander aufgehen, lassen auch noch eine andere Deutung zu. Da durch die
Verschmelzung gleich großer Simbas deren Ordnungsstruktur wesentlich geändert
und gleichzeitig vergrößert wird, einsteht aus zwei Individuen ein mächtigeres
Neues. Die Kollision wäre in diesem Fall die – erzwungene oder freiwillige –
Verschmelzung, um auf der Intelligenzskala einen großen Schritt nach vorn zu
machen.
Geht man nun davon aus, dass dieser Vorgang keine
Instinkthandlung sein kann, da Instinkt und Reflexe evolutionäre
hervorgebrachte und nicht emergente Eigenschaften sind, dann stellt sich die
Frage, was die Galaxien zur Verschmelzung treibt und woher sie
"wissen", dass ein Vorteil darin liegt. Eine mögliche Antwort ist,
dass die Simbas logische und vorausschauende Denkvorgänge haben, dass sie also
nicht nur unseren Tieren entsprechen. Das bedeutet nicht zwingend, dass sie
Bewusstsein und Selbsterkenntnis haben. Aber wenn schon SMBHs mit einigen
Millionen Sonnenmassen logisch und geplant handeln, dann liegt der Gedanke
nicht fern, dass wenigstens die sehr großen SMBHs mit Milliarden Sonnenmassen
intelligent und mit Bewusstsein ausgestattet sind.
Eine durchaus plausible Theorie, die inzwischen durch viele
Modellrechnungen gestützt wird, geht davon aus, dass SMBHs sehr schnell nach
dem ersten Organisationsimpuls bewusste Intelligenz entwickeln. Bei kleineren
SMBHs dauert das statistisch länger. Deshalb sind Kleinere meistens nicht
intelligent. Alle Großen sind intelligente Individuen und ihre Kapazität wächst
mit dem Volumen ihrer makroskopischen Quantenstruktur, das heißt mit der Masse
des SMBHs.
Die theoretische Verarbeitungsleistung wächst sogar mit dem
Quadrat der Masse. Ein SMBH mit 4 Milliarden Sonnenmassen hat eine
millionenfach höhere Kapazität als das SMBH unserer Milchstraße. Vermutlich
wächst Intelligenz nicht linear mit der Kapazität und möglicherweise gibt es
limitierende Faktoren. Aber es ist gut möglich, dass es da draußen Galaxien
gibt, die viel intelligenter sind, als wir: Superintelligenzen von
Galaxiengröße in extremer Zeitlupe.
Sie wären uns wahrscheinlich weit überlegen, wenn sie uns
bemerken würden. Aber Galaxien interessieren sich nicht für uns biologische
Wesen. Sie leben langsam. Sie bemerken nur Ereignisse, die eine Millionen Jahre
dauern und Millionen Sterne betreffen. Aufstieg und Fall unserer Zivilisationen
bleiben unbemerkt. Nur wenn wir viele Millionen Jahre überdauern würden und
dabei Millionen Sterne manipulieren würden, dann würden sie uns wahrnehmen. Wir
sind die Mikroben unserer Galaxie. Erst eine Zivilisation von 2,5 auf der
Kardashev-Skala könnte unserer Galaxie Bauchschmerzen verursachen. Bis dahin
lebt sie ihr Leben und wir unseres, nebeneinander, aber doch völlig unabhängig.
Man erwartet, dass unserer Milchstraße in 4 Milliarden
Jahren mit der Andromeda Galaxie kollidiert. Das gilt aber nur dann, wenn die
momentane Bewegung gleichbleibt. Die Galaxien können jederzeit – in Zeiträumen
von 100 Millionen Jahren – ihre Bewegung ändern. Vielleicht ist gar keine
Kollision beabsichtigt, sondern sie nähern sie sich nur an. Beide fliegen in
Richtung des sogenannten Großen Attraktors, einer Gravitationsanomalie in 200
Millionen Lichtjahren Entfernung. Die gemeinsame Geschwindigkeit ist mit 700
km/s viel größer als die relative Annäherung (110 km/s). Und der momentane
Abstand ist nur 1/100 der Gesamtstrecke. Anders ausgedrückt: sie fliegen
nebeneinander her zum Großen Attraktor und drehen dabei Pirouetten. Milchstraße
und Andromeda nicht nur von der Gravitation gezogene passive Objekte, sondern
vielmehr befreundete Galaxien auf gemeinsamer Wanderschaft.
#Intelligenz #SchwarzesLoch #Galaxie #Emergenz #Physik
#Wissenschaft
2469 Zum 500-jährigen Jubiläum der ersten Mondlandung im Meer der Ruhe.
Die ersten Aktivitäten der Menschen in den Jahrzehnten nach Tranquillity waren geprägt durch einige tief fliegende permanent besetzte Raumstationen und gelegentliche Orbitalflüge, angetrieben durch große und teure chemische Raketen. Viel hat sich seit damals geändert. Inzwischen leben 40 Millionen Menschen dauerhaft im interplanetaren Raum, auf den inneren Planeten und den äußeren Monden. Enge "Konservendosen" sind geräumigen Habitaten gewichen. Laser-Launcher und Linearbeschleuniger bringen Megatonnen Material in den Orbit. Und der orbitale Transfer ist noch viel umfangreicher, denn Erd- und Marsorbit sind sich energetisch – und damit wirtschaftlich – viel näher, als die Planetenoberflächen.
Die interplanetare Wirtschaft floriert. Es gibt zwar Spannungen zwischen den Systemmächten, aber keine größeren militärischen Auseinandersetzungen. Die selbstgewählte Isolation der Erde besteht nun mehr als 100 Jahre. Anfangs war das Embargo der Erde dramatisch für Außenposten, Raumstationen und Habitate. Aber die interplanetare Zivilisation hat sich mit der Situation arrangiert. Der anfängliche Schock ist schon lange überwunden. Das Sonnensystem ist von der Erde unabhängig geworden. Die interplanetare Wirtschaft befindet sich in einer langanhaltenden Wachstumsphase.
Im vorangegangenen Jahrzehnt hat die Menschheit zwei große Sprünge nach vorn gemacht. Mit dem sogenannten Egalitätsflug erreichte ein Raumschiff erstmals die einfache Lichtgeschwindigkeit. Die Entwicklung von Überlichtantrieben macht weiter große Fortschritte. Gerade verließ das erste Auswandererschiff mit Raumkrümmerantrieb das Sonnensystem. Nur 42 Jahre später, ein Zeitraum kürzer als zwischen der sechsten und der siebten Mondlandung, wird das erste interstellare Handelsschiff zu den Sternen aufbrechen.
Nicht nur die Raumfahrt hat sich in den 500 Jahren seit Tranquility grundlegend geändert. Die Menschheit selbst hat sich verändert. Die meisten Menschen haben genetische Optimierungen, Assoziationsbooster, IQ-Upgrades und sogar Savant-Aspekte. Nano-Implantate sorgen für erweiterte Sensorik, Konnektivität und Datenspeicherung, 4-Farben-Sehen und mehrere parallele Denkprozesse. Die biologischen Körper sind 150 Jahre lang gesund und danach gibt es perfekte biomechanische Ersatzteile. Im Zeitalter von Mind-Backups ist der finale Tod durch Altersschwäche eher ungewöhnlich. Aber sogar dann kann man als Mech oder in einer Simulation weiterleben. Mit unzähligen Gen- und Nanomods haben sich Menschen an das Leben im Raum angepasst, darunter ZeroG-Hacks gegen Kalziumschwund, Nanobot-unterstützte Reparatur von Strahlenschäden, opponierende Zehen an den Füßen für ein Leben in der Schwerelosigkeit. Nicht alle Linien sind genetisch kompatibel. Der Genpool divergiert.
Erde und Sonnensystem haben große politische Umwälzungen erlebt. Es gab Kriege, Krisen, und Katastrophen. Es gab vereinte Weltregierungen und politische Fragmentierung. Die Zivilisation ist zusammengebrochen und wurde wiederaufgebaut. Es gab gewaltige Fortschritte in den Wissenschaften deren Auswirkungen auch das tägliche Leben sehr verändert haben. Durch den Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels hat sich das Antlitz der Erde gewandelt. Aber die Menschen haben sich arrangiert. Und die Technologie hat dabei geholfen. Große Probleme wurden gelöst. Die Meere werden als Wohnraum genutzt. Energie ist günstig und die Erde hat gerade den Turnaround-Punkt erreicht ab dem sich die Ökologie wieder erholt. Die interplanetare Zivilisation hat ihre eigene Geschichte geschrieben mit Religionen und Ideologien, militärischen Eroberungen und Wirtschaftskonflikten. Machtzentren sind gekommen und gegangen. Nach der Isolation der Erde dominierte der Mond/L4/L5-Bereich, dann die vereinigten Mars Kolonien, später das Ganymed-Direktorat und gerade erleben wir die Blüte des äußeren Systems.
Die nächsten 500 Jahre werden genauso viele Veränderungen bringen. Die Menschen strecken ihre Fühler aus in die interstellare Umgebung. Dort bieten sich viele neue Möglichkeiten und existenzielle Gefahren. Das Solsystem geht durch einige schwere Krisen, interstellare Kriege, Besatzung, Befreiung, Sieg und Niederlage. Es ist selbst Aggressor und Opfer von Eroberung. Das Solsystem wird geeint und fragmentiert wieder. Die Menschen besiedeln andere Sonnensysteme. Manche sind so weit entfernt, dass ihre weitere Geschichte unabhängig vom Solsystem verläuft und sie ihren eigenen Weg unter den anderen Völkern finden müssen. Die Sphäre der Menschen wird multipolar. Andere Zentren entstehen neben dem Solsystem. Und dann wird die neue interstellare Menschheit in die dramatische Entwicklung des lokalen Sektors hineingezogen und muss lernen, dass Stabilität nicht der Normalfall ist.
#Mond #500 #Jubiläum #Geschichte
http://jmp1.de/h2469
Die interplanetare Wirtschaft floriert. Es gibt zwar Spannungen zwischen den Systemmächten, aber keine größeren militärischen Auseinandersetzungen. Die selbstgewählte Isolation der Erde besteht nun mehr als 100 Jahre. Anfangs war das Embargo der Erde dramatisch für Außenposten, Raumstationen und Habitate. Aber die interplanetare Zivilisation hat sich mit der Situation arrangiert. Der anfängliche Schock ist schon lange überwunden. Das Sonnensystem ist von der Erde unabhängig geworden. Die interplanetare Wirtschaft befindet sich in einer langanhaltenden Wachstumsphase.
Im vorangegangenen Jahrzehnt hat die Menschheit zwei große Sprünge nach vorn gemacht. Mit dem sogenannten Egalitätsflug erreichte ein Raumschiff erstmals die einfache Lichtgeschwindigkeit. Die Entwicklung von Überlichtantrieben macht weiter große Fortschritte. Gerade verließ das erste Auswandererschiff mit Raumkrümmerantrieb das Sonnensystem. Nur 42 Jahre später, ein Zeitraum kürzer als zwischen der sechsten und der siebten Mondlandung, wird das erste interstellare Handelsschiff zu den Sternen aufbrechen.
Nicht nur die Raumfahrt hat sich in den 500 Jahren seit Tranquility grundlegend geändert. Die Menschheit selbst hat sich verändert. Die meisten Menschen haben genetische Optimierungen, Assoziationsbooster, IQ-Upgrades und sogar Savant-Aspekte. Nano-Implantate sorgen für erweiterte Sensorik, Konnektivität und Datenspeicherung, 4-Farben-Sehen und mehrere parallele Denkprozesse. Die biologischen Körper sind 150 Jahre lang gesund und danach gibt es perfekte biomechanische Ersatzteile. Im Zeitalter von Mind-Backups ist der finale Tod durch Altersschwäche eher ungewöhnlich. Aber sogar dann kann man als Mech oder in einer Simulation weiterleben. Mit unzähligen Gen- und Nanomods haben sich Menschen an das Leben im Raum angepasst, darunter ZeroG-Hacks gegen Kalziumschwund, Nanobot-unterstützte Reparatur von Strahlenschäden, opponierende Zehen an den Füßen für ein Leben in der Schwerelosigkeit. Nicht alle Linien sind genetisch kompatibel. Der Genpool divergiert.
Erde und Sonnensystem haben große politische Umwälzungen erlebt. Es gab Kriege, Krisen, und Katastrophen. Es gab vereinte Weltregierungen und politische Fragmentierung. Die Zivilisation ist zusammengebrochen und wurde wiederaufgebaut. Es gab gewaltige Fortschritte in den Wissenschaften deren Auswirkungen auch das tägliche Leben sehr verändert haben. Durch den Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels hat sich das Antlitz der Erde gewandelt. Aber die Menschen haben sich arrangiert. Und die Technologie hat dabei geholfen. Große Probleme wurden gelöst. Die Meere werden als Wohnraum genutzt. Energie ist günstig und die Erde hat gerade den Turnaround-Punkt erreicht ab dem sich die Ökologie wieder erholt. Die interplanetare Zivilisation hat ihre eigene Geschichte geschrieben mit Religionen und Ideologien, militärischen Eroberungen und Wirtschaftskonflikten. Machtzentren sind gekommen und gegangen. Nach der Isolation der Erde dominierte der Mond/L4/L5-Bereich, dann die vereinigten Mars Kolonien, später das Ganymed-Direktorat und gerade erleben wir die Blüte des äußeren Systems.
Die nächsten 500 Jahre werden genauso viele Veränderungen bringen. Die Menschen strecken ihre Fühler aus in die interstellare Umgebung. Dort bieten sich viele neue Möglichkeiten und existenzielle Gefahren. Das Solsystem geht durch einige schwere Krisen, interstellare Kriege, Besatzung, Befreiung, Sieg und Niederlage. Es ist selbst Aggressor und Opfer von Eroberung. Das Solsystem wird geeint und fragmentiert wieder. Die Menschen besiedeln andere Sonnensysteme. Manche sind so weit entfernt, dass ihre weitere Geschichte unabhängig vom Solsystem verläuft und sie ihren eigenen Weg unter den anderen Völkern finden müssen. Die Sphäre der Menschen wird multipolar. Andere Zentren entstehen neben dem Solsystem. Und dann wird die neue interstellare Menschheit in die dramatische Entwicklung des lokalen Sektors hineingezogen und muss lernen, dass Stabilität nicht der Normalfall ist.
#Mond #500 #Jubiläum #Geschichte
http://jmp1.de/h2469
Abonnieren
Posts (Atom)