Eine Expedition erreicht das System des Sterns Solberg 86. Die Wissenschaftler gehen in einem Orbit um den dritten Planeten. Dort finden sie, wie erwartet, eine Roboterzivilisation. Die Zivilisation ist außerordentlich stabil und langlebig. Die Roboter bewachen ein uraltes Erbe ihrer Erbauer. Deshalb soll sie studiert werden. Die Expedition hatte das System gezielt angeflogen.
Viele Entdeckungen des Aufbruchs werden aufgrund von Recherchen in extrasolaren Bibliotheken gemacht. Die interstellare Raumfahrttechnologie der Menschen ist noch nicht so weit, dass viele Schiffe vom Solsystem ausschwärmen und unbekannte Systeme untersuchen können. Interstellare Forschungsreisen sind immer noch aufwändig und teuer. Deshalb ist es effizienter in extrasolaren Bibliotheken nach lohnenden Forschungszielen zu recherchieren und diese dann gezielt anzufliegen. Diese Art der "geplanten Entdeckung" hat sich inzwischen etabliert. Viele interessante Ziele sind bekannt. Aber ein Planet gilt erst dann als von Menschen "entdeckt", wenn er wirklich von Menschen besucht worden ist.
Für die Recherche haben sich öffentliche Bibliotheken im relativ nahen Thoris-System bewährt. Dort haben Menschen traditionell eine gute Beziehung zur Babur-III-Harmonie im äußeren System. Im Thoris System gibt es mehrere Handelsvertretungen von Menschen. Diese Stützpunkte haben Zugang zum öffentlichen Netz und zu Bibliotheken. Dort wird viel über neue Handelsmöglichkeiten recherchiert und dabei fallen den beteiligten Wissenschaftlern immer wieder besondere Systeme der näheren Umgebung auf. Manchmal entstehen so neben der kommerziellen Recherche auch private wissenschaftliche Abhandlungen. Die Information wandert dann über die Mailboxen der Frachter bis zum Solsystem.
Ähnliches gilt für Artu. Allerdings ist die Kommunikation mit den verschiedenen Sophonten im Artu-System wesentlich schwieriger. Schon früh konnte ein reger Handel mit Artu etabliert werden. Aber darüber hinaus sind die Kontakte gering.
Seit der Kelrec-Invasion 30 Jahre zuvor, besteht außerdem enger Kontakt mit Kisor. Die kompatible Denkweise macht die Kommunikation mit kisorischen Quellen besonders einfach. Zudem gibt es viele persönliche Beziehungen zwischen Menschen und Kisori seit zigtausende Kisori im Solsystem bei der Verteidigung halfen. Kisor ist dabei, Thoris als Haupthandelspartner des Solsystems abzulösen. Thoris ist zwar viel näher, aber seit der Belagerung orientiert sich das Solsystem stark an kisorischer Technologie.
Die Information über Solberg 86 III kommt tatsächlich von Kisor. Das System war beschrieben in der Dokumentation zu einem automatischen Asteroiden-Miner. Dhatu Metals hatte von der Siko-Gilde den Miner gekauft. Im Anhang des Benutzerhandbuchs der Miner-KI befand sich eine Datenbank von autonomen Systemen und darunter waren nicht nur kommerzielle kisorische Modelle, sondern auch ein Überblick über exotische KI-Systeme. Das war vermutlich ein Fehler beim Zusammenstellen der Dokumentation. Anscheinend wurden beim Kopiervorgang statt der Quellenangabe die gesamten 23 TB der Quelle mit in den Anhang übernommen.
Jedenfalls entdeckte ein Mitarbeiter von Dhatu Metals während der Inbetriebnahme des Miners die Datenbank. Über die Technologietransferstelle der Bengaluru-Universität und ein Projektmeeting des Sonderforschungsbereichs "Isolierte Autonome Systeme" der Shankara-Forschungsgesellschaft gelangten die Daten an das Zentrum für interstellare Geschichte der Saurashtra Universität Rajkot/Gujarat. Professorin Khatia Buniatishvili stellte einen Antrag für eine Feldexpedition im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "Replikationsinhibitoren" der Shankara-Gesellschaft.
Der Antrag wird genehmigt und so kommt es, dass unter der Leitung der Geschichtsprofessorin Khatia Buniatishvili ein Raumschiff im Orbit von Solberg 86 III kreist und versucht mehr über die dortige Roboterzivilisation herauszufinden. Die Expedition ist gewissermaßen ein Joint-Venture zwischen der Historischen Fakultät der Saurashtra Universität, die sich weit zurückreichende geschichtliche Daten erhofft, und der Shankara-Gesellschaft, die erforschen will, wie die autonomen Systeme von Solberg 86 III so lange stabil bleiben konnten.
Seit fast 30 Millionen Jahren existiert die Roboterzivilisation schon. Genau gesagt seit 29.825.413 irdischen Jahren. Damals starb der letzte ihrer Erbauer. Die Roboter geben bereitwillig Auskunft über den gesamten Zeitverlauf, denn dafür wurden sie programmiert. Die Aufgabe der Roboterzivilisation ist es, das Andenken der Erbauer zu bewahren und jedem (auf Anfrage) alle Informationen über die Geschichte der Erbauer zu geben. Dazu gehören ihre Geschichte, ihre Biologie, die Gesellschaft, Philosophie, Kunst, Biographien einzelner Erbauer seit Anbeginn der Aufzeichnungen und die Technologie. Es ist ein gewaltiger Berg an Informationen. Der vollständige Datenabzug einer ganzen Zivilisation.
Besonders die Technologie scheint interessant, bis man herausfindet, dass es bei High-Tech viele Lücken gibt, vor allem im Bereich von Dual-Use Technologien.
Die historischen Daten über die Zivilisation der Erbauer sind sehr umfangreich. Man erfährt alles über die 22.000 jährige Geschichte der Erbauer und die Völker in der Umgebung vor 30 Millionen Jahren.
Aber noch interessanter wären genaue Daten zur Geschichte des Sektors während der letzten 30 Millionen Jahre, vor allem jüngeren Geschichte, also der letzten 100.000 Jahre. Leider beschränken sich die Informationen seit dem Ende der Erbauer auf eine detaillierte Liste der Besucher. Aus den Beschreibungen kann man Informationen zum umliegenden Sektor ableiten. Die Herkunft der Besucher gibt indirekt Auskunft über die Abfolge der wichtigen Völker im Lauf der Geschichte. Aber die Roboter haben selbst nie das System verlassen, um weitere Daten zu sammeln.
Einige interessante Ereignisse gibt es aber doch. Schon vor 50.000 Jahren, und seitdem immer wieder, waren Kelaner unter den Besuchern. Kelaner haben wohl nie eine bedeutende Rolle im lokalen Sektor gespielt. Aber sie waren nach den Angaben anderer Völker irgendwie schon immer da. Jetzt weiß man ungefähr wie lange Kelaner schon zu den raumfahrenden Völkern gehören.
Man sieht deutlich die Wellen der kisorischen Zivilisation über die letzten 15.000 Jahre. Die Statistik zeigt auch Aufstieg und Fall des legendären solemischen Reiches und man erkennt den Beginn des Interianischen Imperiums. Damals besuchten sogar mehrmals Personen, Hände des Imperiums, das Solberg 86 System. Unzählige Völker haben Solberg 86 besucht. Die meisten kann man heute, nach Millionen Jahren, nicht mehr zuordnen.
Im Lauf der Jahrtausende und Jahrmillionen kamen auch immer wieder feindliche Besucher. Neben den üblichen Plünderern, die ohne großen Aufwand abgewehrt wurden, gab es auch viele Versuche die Roboterzivilisation zu vernichten. Mech-Zivilisationen werden von den meisten Völkern nicht gerne gesehen. Alle Völker haben während ihrer technischen Entwicklung mit KI-Ausbrüchen zu kämpfen. Meistens werden diese eingedämmt und die Technologie dann mit Replikationsinhibitoren versehen. Autonome Systeme sollen nur den Betreibern dienen, nicht selbständig agieren und sich auf keinen Fall unkontrolliert ausbreiten. Deshalb werden selbständige Mech-Zivilisationen, wie Solberg 86 III, die ohne ihre biologischen Erbauer weiter existieren, als Bedrohung angesehen. Viele lokale Ordnungsmächte, die jeweils herrschenden Imperien und Allianzen von Nachbarvölkern haben Solberg 86 im Lauf der Zeit angegriffen. Aber alle wurden abgewehrt.
Die Roboter geben bereitwillig Auskunft. Es gibt detaillierte Aufzeichnungen von allen Angriffen und in manchen Fällen sieht man riesige Mengen von Kampfeinheiten, die von allen Monden des Solberg 86-Systems aus verborgenen Arsenalen aufsteigen. Und man sieht beeindruckende Waffenwirkungen, die nicht in der Technologiedatenbank verzeichnet sind.
Die Roboterzivilisation hatte Millionen Jahre Zeit, um Kampfmittel zu bauen. Offensichtlich halten die Roboter ihr Material auch nach so langer Zeit betriebsbereit. Dafür ist eine riesige technische Infrastruktur notwendig.
Auf den ersten Blick erscheint nur der dritte Planet von Robotern "bewohnt". Es gibt geringe Bergbauaktivitäten in den Asteroiden und den Monden der Gasplaneten. Aber bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass große Teile des Systems, viele Monde und Asteroiden, ausgebaut sind und unterirdische technische Anlagen besitzen.
Die Roboter haben den Auftrag das Andenken ihrer Erbauer zu bewahren. Sie sorgen mit allen Mitteln dafür, dass das so bleibt. Sie sind da. Sie bleiben da. Es gibt keine Mutation, keine Neuinterpretation des Auftrags, keine Ausbreitung, keine Bedrohung anderer Völker. Der Auftrag ändert sich nicht. Sie ändern sich nicht. Zeit spielt für sie keine Rolle. Sie machen weiter.
Über sich selbst geben die Roboter wenig Auskunft. Ihr Informationsauftrag bezieht sich nur auf ihre Erbauer. So bekommen die mitgereisten KI-Forscher nur wenig Substantielles über den langfristigen autonomen Betrieb der Mech-Zivilisation. Die Historiker der Expedition erfahren sehr viel über die Geschichte vor 30 Millionen Jahren, aber wenig über die jüngere Vergangenheit.
Die Expedition liefert interessante Erkenntnisse. Alleine die Tatsache, dass es diese Mech-Zivilisation schon so lange gibt, öffnet vielen Menschen die Augen wie groß und vielfältig das Universum ist. Auf der anderen Seite sind die meisten Informationen nur indirekt (abgeleitet aus den Besucherlisten), unvollständig (im High-Tech Bereich) oder inzwischen irrelevant (wie die ausführliche Geschichte der Erbauer vor langer Zeit).
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http://jmp1.de/h2681
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