3141 Treibstoff-Kartusche. Tatakoto/Südpazifik

-- 100 Dinge aus 1000 Jahren --

Die Treibstoff-Kartusche für einen 100 MW pB11 Reaktor.

Eine improvisierte Bohr/Wasserstoff Kartusche für einen illegalen Fusionsreaktor im Slum der Markandaya Bhavana Arkologie.

Im Zuge der Isolation der Erde vor 140 Jahren kappten die Fremdherrscher des Solsystems die Energielieferungen der sonnennahen Solarkraftwerke zur Erde. Aber die Solarkraftwerke waren damals bei weitem nicht die einzige Energiequelle. Ein Großteil der Energie für die Erde stammte aus fraktalen Reaktoren im Orbit und aus regionalen Fusionskraftwerken am Boden. Damit konnte der Ausfall weitgehend kompensiert werden.

Nach dem Machtübergang an die dellianische Hierarchie, wurden auch die orbitalen Kraftwerke abgeschaltet. Damit blieben nur noch die Fusionsanlagen am Boden. Das war ein dramatischer Einschnitt. Energie wurde plötzlich sehr knapp. Deshalb wurden in aller Eile zusätzliche Kraftwerke aufgebaut. Man favorisierte regionale oder kommunale Anlagen, die nicht nur robuster gegen Störungen aus dem Orbit sein würden als große Kraftwerke, sondern auch von lokalen Organisationen, Firmen, Stadtteilen und Vereinen finanziert werden konnten. Auf dem Techlevel des 4. Jahrtausends ist ein pB11-Fusionsreaktor zum Glück eine relativ einfache Technologie. Moderne industrielle Fabs können alle Komponenten direkt herstellen. Man benötigt zwar hochreine Fab-Feeds, aber keine komplexen Metamaterialien. Rechtefreie oder rechtebefreite Fab-Designs sind im öffentlichen Netz verfügbar. Abfallprobleme gibt es nicht. Der Proton-Bor Prozess liefert schnelle Alphateilchen, die durch elektromagnetische Direktumwandlung zu Strom werden und danach als Helium ohne Strahlung in die Umwelt entlassen werden können. Früher gab es geringe Strahlenbelastungen durch Sekundärreaktionen, die die Anlage langsam auf niedrigem Niveau belasteten. Aber diese Probleme hat die moderne Materialwirtschaft schon lange gelöst.

Zehn Jahre nach der Reduzierung auf bodengebundene Anlagen muss die Erde trotzdem mit zehnmal weniger Energie auskommen, als vor der Machtübernahme. Vorher war der Energieverbrauch verschwenderisch gewesen, denn Energie war günstig. Auch nach der Reduzierung ist der pro-Kopf Verbrauch immer noch viel höher, als in der Zeit vor der allgemein verfügbar Fusionstechnologie. Trotzdem war die Reduzierung schmerzhaft, denn die riesige Bevölkerung der Erde war nur tragbar durch den massiven Einsatz von Technologie und Energie. Die Bevölkerung ist immer noch da, aber es fehlt die Energie für vertikale Farmen, für Wasserentsalzung in den Millionenstädten der Ozeane, für vollständiges Recycling und vieles andere mehr, was 30 Milliarden Menschen für selbstverständlich hielten.

Letztlich konnte der Bedarf nicht gedeckt werden. Nicht alle potentiellen Abnehmer wurden ausreichend versorgt. Energieproduzenten und -verteiler verwalteten den Mangel. Sie bestimmten, wer genug Energie bekam für seine wirtschaftlichen Aktivitäten, für Güterproduktion oder Nahrungsmittelherstellung. Die Energiewirtschaft wurde sehr mächtig. Nicht nur hohe Preise, sondern auch Gefälligkeiten, Nebengeschäfte und Korruption entschieden über Energiezuwendungen. Im Lauf der Zeit entwickelten sich feudale Strukturen. Energie wurde zum Machtinstrument. Und die, die die Macht hatten, wollten verhindern, dass andere sich von ihnen unabhängig machten. Nur 50 Jahre nachdem die Errichtung von lokalen Fusionsanlagen im großen Stil öffentlich gefördert worden war, wurden die ersten Verbote beschlossen. Aus "Sicherheitsgründen" wurde der Betrieb privater Kleinreaktoren in einigen Regionen der Erde verboten. Anlagen mussten lizensiert werden. Sie unterlagen strengen Auflagen und Quoten. Sogar bestehende private und kommunale Anlagen mussten sich einer gemeinsamen Energiestrategie unterwerfen. Sie konnten nicht selbst entscheiden, an wen sie Energie lieferten. Es gab Energiekommissare, die über Produktion und Verteilung wachten. Nach 80 Jahren war der Betrieb privater Kraftwerke fast überall illegal, nicht nur auf den festen Landflächen, sondern auch in den ozeanischen Agglomerationen und in der Tiefsee.

Die Kartusche stammt aus der Umgebung der schwimmenden Markandaya Bhavana Arkologie beim Tatakoto-Massiv im Südpazifik. Die Arkologie ist das regionale Zentrum. Dort lebt eine halbe Million in relativem Wohlstand. Die Arkologie hat eigene legale Reaktoren. Um die Arkologie gibt es weitere Siedlungen, viele davon mit primitiven Behausungen und prekären sanitären Verhältnissen. Die Gesamtbevölkerung der Tatakoto-Markandaya Agglomeration ist 10 Millionen. Offiziell wird die ganze Agglomeration durch Markandaya Bhavana mit Energie versorgt. Aber die Energie ist teuer, viel teurer, als sie sein müsste. Und es gibt keine stabilen Lieferverträge. Das Energieprivileg kann jederzeit entzogen werden. Dann gehen Unternehmen Konkurs, Menschen hungern oder verdursten, weil plötzlich kein Meerwasser mehr entsalzt wird. Deshalb versuchen viele, sich selbst zu versorgen. Sie betreiben illegale Reaktoren. Sie müssen ständig auf der Hut sein vor den Energiekommissaren der Arkologie. Die illegalen Reaktoren wechseln oft den Standort. Energieleitungen – elektrisch oder Hohlleiter – müssen getarnt werden. Oft wird die Energie illegaler Reaktoren auch über ein Netz schnell wechselnden Drahtlosstrecken verteilt.

Fusionsreaktoren brauchen eine Wasserstoffquelle und das Bor-11 Isotop. Beides gibt es in ausreichenden Mengen auf der Erde, in Lagerstätten und in den Weltmeeren. Manche arbeiten mit Diboran-11, einer Bor-11/Wasserstoff-Verbindung, die beide Elemente enthält. Andere, wie die vorliegende Kartusche, liefern die Elemente getrennt an den Reaktor, der dann etwas einfacher ist und keine eigene Vorverarbeitung braucht. Die Kartusche entspricht dem südpazifischen Standard für Fusionsanlagen bis 100 MW.

#Fusion #Technologie #Slum #Illegal

http://jmp1.de/h3141

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