2969 1000-jähriges Jubiläum der ersten Mondlandung

Den tausendsten Jahrestag der ersten Mondlandung hatten sich die Menschen anders vorgestellt.

Das 500. Jubiläum war ein großes Fest im ganzen Sonnensystem gewesen. Kurz zuvor war zum ersten Mal ein Schiff (effektiv) schneller als das Licht geflogen. Die interplanetare Zivilisation im Solsystem wuchs rasant und war im Begriff interstellar zu expandieren. Die Menschheit feierte damals ihre Errungenschaften. Es herrschte Aufbruchstimmung.

Aber im Jahr 1000 "nach Tranquility" ist alles anders. Es gibt keine Feiern und keine Aufbruchstimmung. Nichts ist wie es sein soll. Das Sonnensystem ist sein 70 Jahren besetzt. Erst kamen Leccianer-Horden, dann Rog-Ozar, dann Dellianer. Die solare Wirtschaft ist zusammengebrochen, geschwächt durch Misswirtschaft und ausgeblutet durch aufgezwungene interstellare Kriege. Die Verhältnisse haben sich umgedreht. Noch vor 75 Jahren beschäftigten solare Mächte die Neo-Barbaren als Söldner. Jetzt ist solare Menschheit selbst ein Hilfsvolk von Barbarenstämmen. Sie muss deren Kriege führen und die Mittel für die luxuriöse Lebensweise der Besatzer aufbringen.

Die Besatzer dominieren die Orbits der Planeten und die hohe Atmosphäre der Venus. Dort gibt es noch weitgehend funktionierende Technologie. Automatische Reparatursysteme halten viele technische Anlagen am Laufen und menschliche Sklaven kümmern sich um die dafür nötige Infrastruktur. Technisches Wissen ist gefragt im Orbit. Ohne technische Ausbildung ist man nichts. Aber mit, auch nicht viel. Alle Menschen sind Leibeigene irgendeines Herrschers. Die Menschen halten im Auftrag ihrer Eigentümer technische Systeme so gut wie möglich im Betrieb. Aber es gibt keine Weiterentwicklung und kein Wachstum. Im Gegenteil: die Fremdherrscher zehren von den Resten der einst blühenden interplanetaren Ökonomie. Der Wirtschaftsleistung des gesamten Systems ist von ihrem Höchststand auf ein Dreißigstel gesunken, auf nur 3,5 Prozent der ursprünglichen Wirtschaftsleistung. Und da die Erde isoliert ist, können die neuen Herren nur ein Drittel davon nutzen. Sie leben von einem Prozent der vorherigen Produktivität.

Nicht nur der Umfang der solaren Ökonomie ist dramatisch gesunken, sondern auch die Fähigkeiten. Teure Hochtechnologie ist nicht mehr verfügbar. Während der letzten Hochkonjunkturphase bauten solare Werften jedes Jahr Tausende Schiffe mit den modernsten Antrieben des Sektors und bis zu 6000-facher Lichtgeschwindigkeit (effektiv). Jetzt werden nur wenige Schiffe gebaut, meistens mit wiederverwendeten Teilen von ausgeschlachteten Einheiten. Moderne Antriebstechnologie wird nicht mehr hergestellt. Dafür benötigt man eine leistungsfähige industrielle Basis, die höchste Präzision liefern kann. Raumkrümmer-Antriebe sind sehr komplexe Maschinen. Sie basieren auf einer weitverzweigten Lieferkette von spezialisierten Unternehmen. Hochreine Rohstoffe müssen zu nanostrukturierten Metamaterialien verarbeitet werden, die dann zu Geräteteilen geformt und auf Picometer genau ausgerichtet werden. Die Anlagen müssen auch bei Terawatt Leistungsaufnahme ihre ideale Konfiguration behalten. Nur dann erreicht man so hohe (scheinbare) Geschwindigkeiten. Aber die wenigen noch aktiven Werften beherrschen diese Technologie nicht mehr. Was sie herstellen können, reicht nur noch für 500-fache Lichtgeschwindigkeit.

500-fache Lichtgeschwindigkeit: das war 1000 Jahre zuvor Utopie und vor 500 Jahren nur eine Theorie. Die Technologie ist immer noch viel höher entwickelt, als zur 500-Jahrfeier. Aber sie ist im Niedergang. Was jetzt benutzt wird, wurde vor mindestens 50 Jahren hergestellt. Die Infrastruktur wird immer älter. Sie wird automatisch gewartet. Aber wenn komplexe Produktionsanlagen ausfallen, dann genügen nicht immer KI-gesteuerte Wartungsbots. Für manche Reparatur bräuchte man die technischen Fähigkeiten der Originalhersteller oder Dienstleister mit entsprechendem Know-how. Die gibt es nicht mehr. Autofabs und Wartungsbots können die Alltagstechnik am Laufen halten. Aber für High-Tech fehlt die vernetzte hochspezialisierte Ökonomie.

Vor der Eroberung war die Erde der Mittelpunkt des Sonnensystems. Die solare Menschheit war noch neu auf der interstellaren Bühne. Die interplanetare Zivilisation war noch im Aufbau. Im Gegensatz zu älteren Zivilisationen, bei denen der größte Teil interplanetar ist, lebten noch immer die meisten Menschen auf der Planetenoberfläche. Moderne Technologie und fast unbeschränkte Energie ermöglichten eine Bevölkerung von zig Milliarden. Aber aus Sicht der Eroberer war die Erde ein Risiko. Tausend Megastädte, manche ein Meer von Gebäuden bis in die Stratosphäre, andere kilometertief eingegraben. Tausende Kilometer weit schwimmende Habitate auf den Ozeanen und Millionenstädte tief unter der Wasseroberfläche. Ein unübersehbares Gewirr von Kulturen, Ethnien und Motiven. Ein unkontrollierbares Chaos und viel zu viele Menschen.

Der interplanetare Teil der Zivilisation war viel leichter beherrschbar. In den Orbits von Erde, Venus, Mars und den äußeren Planeten lebten nur etwas mehr als eine Milliarde Menschen (einschließlich Mechs, Androiden, Uploads, autonome KI). Dort sind die Menschen von funktionierender Technik abhängig. Lebenserhaltende Technik ist zwar viel einfacher und belastbarer geworden in 1000 Jahren interplanetarer Raumfahrt. Vieles passiert automatisch. Ausrüstung wird in Autofabs billig produziert, Mikrobots warten und reinigen die Anlagen. Flexible Feldschirme schützen vor dem Vakuum. KI steuert alles und sorgt dafür, dass Menschen im Orbit fast so sorgenlos leben können, wie auf der Erde. Trotzdem ist es im Orbit viel einfacher, lebenserhaltende Technik abzuschalten oder zumindest damit zu drohen. Schon für die Atemluft braucht man viel Technik. Wenn man in einzelnen Segmenten einer Raumstation die Lebenserhaltung abschaltet, kann man jeden Aufstand im Keim ersticken. Orbitale Bevölkerung ist viel einfacher zu kontrollieren. Im Vergleich dazu war die Erde mit ihren vielen Milliarden Menschen für die Eroberer ein unkontrollierbarer Moloch. Die Erde war eine Gefahr. Deshalb wurde sie entschärft und isoliert.

Schon die Leccianer-Horden beschädigten bei ihrem Putsch die planetare Infrastruktur. Die später folgenden Herrscher griffen noch konsequenter durch. Sie kappten die Energielieferung von den sonnennahen Kraftwerken und sie zerstörten gezielt alle großen Fusionskraftwerke. Die Erde muss nun mit viel weniger Energie auskommen. Die Energie war essentiell für den Betrieb der Infrastruktur, die 40 Milliarden Menschen ein komfortables Leben ermöglichte. Nahrungsmittelproduktion in vertikalen Farmen, Transport und Verkehr, Güterproduktion, Zugang zum Orbit, alles benötigt Energie und vieles davon ist jetzt nicht mehr möglich – oder viel schlechter. Die Erde hat immer noch Energie, viel mehr, als vor 1000 Jahren. Auch moderne Technologie und Know-how sind vorhanden. Aber die Mittel sind begrenzt. Es ist nicht mehr Alles für Alle verfügbar. Lebensmittel sind rationiert. Medizin ist teuer. Der Verkehr ist regional und langsam. Waren werden nicht mehr mit 2000 km/h in Vakuumbahnen um den Globus transportiert. Es wird viel weniger hergestellt. Die Versorgung mit Rohstoffen ist zusammengebrochen. Die Erde lebt nun vom Bestand und von dem was über 1000 Jahre weggeworfen wurde. Müllhalden sind die primäre Rohstoffquelle.

Mit dem Energiemangel und dem Ausfall von Technologie ist die Arbeitsproduktivität dramatisch gefallen. In der Folge fielen die Löhne. Gleichzeitig stiegen die Preise, weil alles knapp wurde. Die Menschen auf der Erde sind arm. Die Erde ist nun ein Slum wo viele Milliarden Menschen um das Überleben kämpfen. Die medizinische Situation ist prekär. Es gibt kein Geld für all die Selbstverständlichkeiten moderner Medizin: korrektive Gentechnik, synthetische Biochemie, nichtinvasive Diagnostik, nanobasierte Prolongation, androidale Prothetik. Längst besiegte Krankheiten sind zurückgekehrt. Alterserscheinungen können nicht mehr korrigiert werden. Die Lebenserwartung ist unter 100 Jahre gesunken. Menschen sterben tatsächlich wieder endgültig. Eigentlich ist permanenter Tod genauso bizarr, wie 1000 Jahre zuvor eine Operation ohne Anästhesie oder ein Tod durch Infektion mangels Antibiotika. Das kommt schon vor – in Ausnahmefällen, aber eigentlich kann man etwas dagegen tun. Doch nun gibt es keine High-Tech Medizin mehr für alle. Es gibt auch keine Uploads, keine Backups, keine Reinkarnation als Android oder Simulation. Die Bevölkerung geht zurück – durch natürlichen endgültigen Tod – von mehr als 40 Milliarden auf 15 Milliarden.

Auf der Erde gibt es Widerstandsbewegungen. An Freiwilligen herrscht kein Mangel. So viele Menschen sind verzweifelt und wollen etwas unternehmen. Die Stadtguerillas sind gut ausgerüstet. Sie haben Präzisionswaffen und High-Tech Sprengstoffe. Sie sind körperlich und geistig zu Höchstleistungen fähig. Sie sind das Ergebnis von 1000 Jahren Genoptimierungen und Nanomods. Die meisten haben mehrere parallele Denkvorgänge, Assoziationsbooster, absolute Orientierung, verstärkte Sensorik, beschleunigte Motorik, erhöhten Metabolismus, manche – dank Bullet-Time Upgrade – für kurze Zeit ein beschleunigtes Bewusstsein. Die situationsbewusste KI ihrer Feldanzüge schützt sie im Gefecht durch punktuelle Verstärkung des Schirms. Eine adaptive Nanitenmatrix als Tarnkleidung macht sie auch in der Bewegung fast unsichtbar. Die automatische Zielerfassung der Waffen bekämpft Gegner selbständig, wenn der Auftrag einmal erteilt ist. Schwärme von Mikrobots erkunden und neutralisieren sogar verdeckte Bedrohungen. Jede(r) Einzelne von ihnen könnte es mit einem ganzen Infanteriebataillon vor 1000 Jahren aufnehmen. Sie sind auch den Söldnern der Unterdrücker weit überlegen.

Das Problem ist nur, dass sich die Besatzer nicht zeigen. Dem Widerstand fehlten konkrete Ziele. Sie können nicht in den Orbit gelangen und die Besatzer kommen selten auf die Oberfläche. Die fremden Herrscher des Solsystems haben die Erde abgeschrieben.

Ein Ende ist nicht abzusehen. Es gibt keine Feiern zum tausendjährigen Jubiläum und keine Hoffnung.

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http://jmp1.de/h2969

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