2956 Der letzte unabhängige Habitat-Cluster wird von Dellianern übernommen.

Xiao Chu ist ein Verbund von Orbitalen und Torus-Gitter-Habitaten im Asteroidengürtel mit 30 Millionen Einwohnern. Durch geschicktes Agieren innerhalb der dellianischen Feudalstruktur konnte Xiao Chu sehr lange seine Unabhängigkeit bewahren. Aber im Jahr 2956 endet die Selbstverwaltung. Der Fremdherrscher des Solsystems vergibt Xiao Chu als Lehen an einen seiner Vasallen. Xiao Chu war die letzte unabhängige Territorialsouveränität im Solsystem.

Vor der Besetzung des Solsystems war Xiao Chu Marktführer im Bereich Wartung von Hightech-Infrastruktur und -Ausrüstung. Viele bei Xiao Chu ansässige Unternehmen hatten sich auf Fernwartung spezialisiert. Xiao Chu bot selbst nur wenige technische Produkte an. Seine Unternehmen waren vor allem Wartungs- und Betriebsdienstleister für technische Anlagen anderer Hersteller mit einem Fokus auf Hightech-/Highperformance-Systeme, wie:

- Synthesizer für nanostrukturierte Metamaterialien,

- massenspektrometrische Separatoren im Ressourcenabbau,

- massivparallele Molekularstrahldrucker,

- Kraftwerke mit fraktal induzierter Fusion,

- Wandler für energetische Leistungs-Hohlleiter,

- Assembler und Justierwerke für Konverterpole von Raumkrümmern,

- industrielle Präzisionsfabs,

- Hochenergie-Feldschirme für den Strahlenschutz,

- Ultrakapazitoren auf Basis von Kernladungsseparation

und viele andere.

Die modernen Technologien, die Xiao Chu für seine Kunden verwaltet, sind sehr komplex und störanfällig. Fast alle verwenden hohe Leistungsdichten, einige im Bereich von Terawatt pro Kubikmeter. Das produziert mechanischen Stress und Abwärmeprobleme. Trotzdem müssen die Geräte ihre räumliche Anordnung sehr genau einhalten um ihre Funktion zu erfüllen, manche auf Attometer-Dimensionen, dem Tausendstel eines Atomkerndurchmessers. Solche Anlagen bestehen außerdem aus vielen Komponenten, jede mit ihrem eigenen problematischen Störungsprofil. Die Summe der möglichen Fehlerquellen und die Gesamtwahrscheinlichkeit für Ausfälle von Einzelkomponenten führen dazu, dass moderne Hightech-Systeme eigentlich nicht dauerhaft laufen können. Erst spezielle Techniken aus den Bereich der Betriebswissenschaft (Operational Science, kurz: OpS) machen es möglich, diese Systeme profitabel zu betreiben.

Das Systemverhalten moderner Hardware ist sehr komplex. Oft ist es schon im chaotischen Bereich. Es ist quasi-chaotisch. Klassische Maßnahmen, die auf dem Prinzip von Analyse-Aktion-Wirkung basieren, funktionieren dann nicht. Nur durch sehr fortschrittliche Methoden wie präkognitives Wartungsmanagement und topologische Reduktion des chaotischen Phasenraumvolumens werden solche Systeme beherrschbar. Diese Techniken sind die Spezialität von Xiao Chu. Xiao Chu ist außerdem dafür bekannt, das Management quasi-chaotischer Systeme mit differentieller Leistungsoptimierung zu verbinden und mehr Nutzleistung herauszuholen.

Im Zuge der Machtübernahme, erst durch Leccianerhorden und dann endgültig durch Dellianerstämme, wurde die hochspezialisierte und vernetzte solare Wirtschaft empfindlich gestört. In dieser chaotischen Zeit verschwanden viele Firmen vom Markt. Lieferketten wurden unterbrochen und Dienstleister fielen aus. Das betraf auch Wartungsdienstleister, die quasi-chaotische Systeme managen konnten.

Die Technik des Solsystems lief während der Machtübernahme weiter. Die meisten technischen Anlagen werden durch KI-Systeme betrieben und instandgehalten. Auch KIs beherrschen die OpS Grundprinzipien und Standardverfahren für quasi-chaotische Systeme. Aber bei Hightech-Ausrüstung treten trotzdem immer wieder Situationen auf, wo das Spezialwissen der Hersteller gefragt ist. Das war die Domäne von Xiao Chu. Die Bewohner von Xiao Chu hatten sich darauf spezialisiert, als Outsourcing-Dienstleister im Auftrag der Originalhersteller Hightech-Systeme zu betreiben, zu warten und zu reparieren. Ein Großteil des Wissens um den Betrieb von Hightech-Ausrüstung und -Anlagen im mittleren System war bei Xiao Chu konzentriert. Zu diesem Zweck war Xiao Chu auch führend im Wissensmanagement, der Organisation von Know-how, der Speicherung, Anreicherung, Weitergabe und Inferenz.

Xiao Chu war beim Putsch der Leccianer nicht direkt betroffen. Sowohl Jupiter als auch Saturn standen damals auf der anderen Seite des Systems. Deshalb war der Schwerpunkt des Leccianer-Aufmarschs sehr weit weg. Auch später blieb der Habitat-Cluster unabhängig. Mit der Unabhängigkeit konnten die Spezialisten von Xiao Chu auch das Know-how bewahren. Die Konservierung von Wartungs- und Betriebswissen für technische Anlagen war die wesentliche Strategie der Xiao Chu-Führung. Das ging sogar so weit, dass Xiao Chu Kommandounternehmen durchführte, um Wissen von zusammenbrechenden Know-how-Trägern (Unternehmen, Personen, Datenbanken, KI) im ganzen System zu sichern.

Auch die neuen Herrscher mussten komplexe Technik betreiben. Die Beratungsunternehmen von Xiao Chu wurden zu wichtigen Dienstleistern der Fremdherrscher. Deshalb war Xiao Chu unverzichtbar, sowohl für den Lebensstandard der dellianischen Herrscher, als auch für ihre Kriege.

Der Dellianer Bilsass erkannte, dass gerade die Unabhängigkeit der Schlüssel zur Bewahrung des Know-hows war. Denn dieses Wissen liegt bei einzelnen Firmen, in ihren Datenbanken und bei Individuen, Menschen und Infosophonten. Essentiell ist auch das Beziehungsgeflecht zwischen den Wissensträgern. Diese Netzwerke werden organisiert durch die Beratungsfirmen von Xiao Chu. Bilsass ist bewusst, dass eine Störung der Strukturen zum Verlust von Xiao Chu als strategischer Ressource führen würde. Überall im Solsystem waren in der Folge der Machtübernahme Lieferketten zerbrochen, Märkte fragmentiert und Wissenscluster verschwunden. Diesen Fehler wollte Bilsass bei Xiao Chu vermeiden. Deshalb stellte er Xiao Chu unter seinen persönlichen Schutz.

Ein wichtiges Argument sind auch die hohen Gewinnausschüttungen direkt an Bilsass. Letztlich ist das ein zusätzlicher Geldstrom der anderen Beschützer an Bilsass. Dieser Nebeneffekt ist aber auch immer wieder ein Grund für Unzufriedenheit unter den anderen Beschützern. Das dellianische Feudalsystem ist keine absolute Herrschaft von oben herab, sondern ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Rechten, Pflichten und Macht aller Beschützer. Viele der anderen Beschützer sind der Meinung, dass eine strategische Ressource wie Xiao Chu nicht automatisch dem Oberhaupt des Feudalsystems zufallen sollte. Wie alle Ressourcen sollte sie einem anderen Beschützer gehören, um nicht direkt die Macht von Bilsass zu stärken. Sie sehen in der direkten Kontrolle von Xiao Chu durch Bilsass ein Ungleichgewicht. Und natürlich gibt es einige, die selbst die Kontrolle erlangen wollen.

Immer wieder stand die Unabhängigkeit von Xiao Chu auf der Kippe. Mal konnte die Macht von Bilsass den Status quo bewahren, ein anderes Mal gezielte Einmalzahlungen oder Leistungen von Xiao Chu an einzelne Beschützer. Nicht nur die Marktposition und Bilsass schützen Xiao Chu, sondern auch das geschickte Spiel der Cluster-Führung im Feudalsystems. Der Vorsitzende des Cluster-Rats ist informell ein Beschützer in der dellianischen Hierarchie. Auch wenn er intern demokratisch legitimiert ist.

Als Beschützer ist er allerdings auch Ziel von Intrigen und Verschwörungen. Bisher hatte die Führung Xiao Chus diese Herausforderung gut gemeistert, aber im Jahr 2956 läuft sie in eine Falle. Xiao Chu wird das Opfer einer Verschwörung, die sich eigentlich gegen Bilsass richtet.

Wenige Monate zuvor hatte das Solsystem unter den Dellianern das Luhman 16 System in 6 1/2 Lichtjahren Entfernung angegriffen. Die dortige interplanetare Zivilisation hatte sich erfolgreich widersetzt und den Angriff abgewehrt. Die solaren Schiffe mussten sich unter schweren Verlusten zurückziehen.

Viele solare Beschützer waren dem Aufruf von Bilsass gefolgt und hatten Mittel oder Schiffe für die Invasionsflotte bereitgestellt. Viele hatten sich in der Hoffnung auf reiche Beute verschuldet. Aber der Feldzug lief nicht wie geplant. Es gab keine Beute, sondern nur Verluste. Entsprechend unzufrieden waren die Teilnehmer des Feldzuges.

Viele beteiligte Beschützer sehen in der schlechten Koordination der Angriffsflotten einen Grund für den Fehlschlag. Dieser Vorwurf geht an den Beschützer des Angriffs, einen direkten Vasallen von Bilsass und damit auch an Bilsass selbst.

Tatsächlich war die Mobilität einiger Flottenteile im Einsatzgebiet mangelhaft. Viele der schnellen Fronteinheiten hatten mit Triebwerksproblemen zu kämpfen und konnten deshalb nicht effizient an koordinierten Manövern teilnehmen. Der Grund war eine schlechte Abstimmung der Betriebsparameter an das Einsatzprofil. Dieser Vorwurf geht primär an Xiao Chu, denn Xiao Chu hatte den Generalauftrag für die Wartung der Triebwerke von überlichtfähigen Kampfeinheiten.

Die Einheiten hatten den finalen Hochgeschwindigkeitsanflug aus dem Aufmarschgebiet perfekt ausgeführt. Die ersten Angriffe auf vorgeschobene Verteidigungseinrichtungen liefen präzise und erfolgreich. Aber je länger die Kämpfe dauerten und je mehr die Angreifer auf Gegenwehr stießen, desto mehr Probleme traten bei den Antrieben auf. Bis schließlich die mobilen Kampfeinheiten als taktische Komponente praktisch ausfielen. Damit konnten sie die Sublicht-Trägerplattformen, die die Hauptlast des Angriffs trugen, nicht mehr schützen. Als dann immer mehr Träger von den hochmobilen Verteidigern neutralisiert wurden, mussten sich die Angreifer zurückziehen.

Die Einstellung der Überlichttriebwerke war tatsächlich ungeeignet für den Einsatz. Sie waren für ein anderes Einsatzprofil vorgesehen. Xiao Chu hatte mit dem falschen Einsatzprofil gearbeitet.

Die Vorbereitung der Überlichttriebwerke der Angriffsflotte war eine gewaltige Aufgabe. Xiao Chu hatte den Generalauftrag und nur wenige Monate Zeit. Zigtausend Triebwerke mussten analysiert, gewartet und eingestellt werden. Vieles davon ist automatisiert und standardisiert. Ein Mitarbeiter kann hunderte solcher Anlagen betreuen. Trotzdem mussten die Firmen von Xiao Chu dafür ihre zivilen Kunden lange Zeit vernachlässigen.

Der Auftrag an Xiao Chu kam von Deimarsax, dem Ausrüstungsveranwortlichen für die Überlicht-Kampfeinheiten und Beschützer der großen Werften auf dem Marsmond Deimos und im Marsorbit. Während der Vorbereitung des Feldzugs wurden verschiedene Angriffspläne ausgearbeitet. Jeder Plan mit spezialisierten Einsatzprofilen für alle Flottenteile.

Die Einsatzprofile für Überlicht-Kampfeinheiten unterschieden sich sehr, abhängig von der Rolle, die diese Einheiten spielen sollten. Xiao Chu benutzte für die Vorbereitung einen Plan in dem die Einheiten primär Hochgeschwindigkeitsangriffe durchführen sollten, um die statische Verteidigungsinfrastruktur auszuschalten. Dabei waren vor allem hohe Geschwindigkeiten bei längerer Laufzeit gefragt, ein sogenanntes Bombing-Profil. Tatsächlich dienten die schnellen Einheiten dann aber vor allem als mobiler Begleitschutz der Trägerplattformen. Sie waren für diesen Einsatzzweck angemessen bewaffnet, aber ihre Triebwerke waren nicht für viele kurze Manöver in Kämpfen mit anderen mobilen Einheiten vorgesehen (Dogfight-Profil).

Deimarsax hatte Xiao Chu den falschen Einsatzplan übermittelt. Er hatte damit absichtlich den Angriff sabotiert. Sein Ziel war, den Angriff scheitern zu lassen, um Bilsass, den Beschützer des Solsystems zu schwächen und gleichzeitig Xiao Chu zu diskreditieren. Deimarsax hatte selbst viel in diesen Feldzug investiert. Er hatte sich dafür verschuldet und dafür gesorgt, dass das öffentlich bekannt ist. Er verlangt nun Schadenersatz. Er hat die anderen geschädigten Beschützer auf seiner Seite. Bilsass ist in der Defensive und sucht nun einen gesichtswahrenden Ausweg.

Zwei Monate nach dem fehlgeschlagenen Angriff auf Luhman 16 gibt es einen Konflikt zwischen Vasallen von Deimarsax auf dem Mars-Ring. Es ist eine ganz normale Konkurrenz zwischen zwei Beschützern um Ressourcen und Territorien. Die Konflikte werden sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch ausgetragen. Die übergeordneten Beschützer, die Lehensherren, lassen diese Konflikte zu, solange sie ihre Interessen nicht stören.

Im Verlauf des Konflikts versucht einer der Kontrahenten Druck auszuüben indem er die Kreditlinie der Firma Corebridge Energy (ebenfalls Mars-Ring) bei seiner Bank, First Vortex Holdings, kündigt. Corebridge ist ein Anbieter von Hochleistungskapazitoren. Die Firma musste für die Luhman 16 Kampagne sehr viele Schiffe ausrüsten. Wie Xiao Chu war auch Corebridge monatelang mit den Vorbereitungen für Luhman 16 beschäftigt. Unter den vielen Beschützern, die ihre Schiffe während den Angriffsvorbereitungen ausrüsten ließen, hatten einige nicht sofort für die Leistung bezahlt. Trotzdem musste Corebridge Energy die Aufträge ausführen, um nicht die Rüstungsanstrengungen zu gefährden und in Konflikt mit dem Beschützer des Solsystems zu geraten. Deshalb wurde für Corebridge eine gigantische Kreditlinie eingerichtet. Auch Monate nach dem fehlgeschlagenen Angriff stehen immer noch riesige Summen aus.

Corebridge Energy ist ein Tera-Player, einer der Marktführer in seiner Branche und Hochleistungsenergiespeicher sind kapitalintensive Produkte. Corebridge bewegt deshalb routinemäßig sehr große Werte. Aber die Außenstände seit der Luhman 16 Kampagne sind ohne eine solide abgesicherte Kreditlinie nicht tragbar. Die Kredite sind garantiert durch ein Konsortium von wohlhabenden Beschützern. Trotzdem bringt die Kündigung der Kredite Corebridge in Schwierigkeiten. In dieser Situation kündigt Deimarsax an, dass seine Werften den Auftrag für Schiffskapazitoren neu ausschreiben. Damit droht Corebridge seinen größten Kunden mit 20 % des Geschäfts zu verlieren. Andere Kunden zögern mit Anzahlungen. Mangels aktiver Kreditlinie meldet Corebridge Zahlungsschwierigkeiten. Der Cash-Flow bricht zusammen.

Mehrere Unternehmen von Xiao Chu sind Wartungsdienstleister für die Produkte von Corebridge Energy. Einige Großkunden dieser Unternehmen werden unruhig. Sie befürchten, dass es bei einem Zusammenbruch von Corebridge Schwierigkeiten mit Ersatzteillieferungen geben könnte. Einige verlangen von Xiao Chu, die Fab-Pläne zu sichern, darunter: Deimarsax. Xiao Chu holt von mehreren Beschützern auf dem Mars-Ring die Zustimmung für eine verdeckte Info-Extraktion ein.

Eine Woche später beauftragt Xiao Chu die am MaGNet (Mars Geostationary Network) ansässige Sicherheitsfirma Gra-Nun-Tek Security, das Know-how durch eine Info-Extraktion zu sichern. Xiao Chu schickt mehrere Mitarbeiter als Infosophonten per Laser zum Mars-Ring. Dabei sind Experten für die Corebridge Produkte, Infowar-Spezialisten und die Einsatzleitung. Der physische Zugriff soll durch Gra-Nun-Tek bereitgestellt werden, während Personal und KI von Xiao Chu die Daten lokalisieren und extrahieren. In der Vorbereitung gelingt es Gra-Nun-Tek, auf dem Schwarzmarkt einen Zugangscode für den Verwaltungsbereich von Corebridge Energy zu kaufen. Das ist nicht ungewöhnlich. Zu jeder Zeit sind viele Zugangscodes für physischen und Info-Zugriff verfügbar. Es erscheint wie eine glückliche Fügung, dass gerade ein passender Code für Corebridge Energy angeboten wird. Damit ist ein gewaltfreier Zugang möglich.

Am Tag der Info-Extraktion schaltet Gra-Nun-Tek die Sensoren im Eingangsbereich von Corebridge Energy auf einen Fakestream. Das Einsatzteam öffnet den Zugang zum Verwaltungsmodul mit dem eingekauften Code und betritt das Habitat Modul. Die Leute von Gra-Nun-Tek tragen leichte Stealth/Panzerung. Das Xiao Chu Personal ist in getarnten Mikromechs dabei, die von Gra-Nun-Tek bereitgestellt wurden. Das Team dringt weiter vor. Die Räumlichkeiten sind den Mitarbeitern von Xiao Chu gut bekannt. Sie identifizieren einen geschützten Netzknoten über den man in die Fab-Datenbank gelangen kann. Nur eine Titanplatte und 8 Stahlbolzen sind noch im Weg. Ein Hindernis, das man mit 8 Mikroschneidladungen einfach beseitigen kann. Das ist geräuschlos und erschütterungsfrei, da die Schneidladungen mit Kompensatoren ausgerüstet sind, die durch gesteuerte Mikroexplosionen alle mechanischen Effekte unterdrücken.

Die Ladungen werden angebracht und gezündet. Dann zerreißt eine Explosion von fünf Tonnen (TNT-Äquivalent) das Verwaltungsmodul von Corebridge und angrenzende Habitat-Module. Darunter befindet sich auch das Vertriebszentrum der Werften von Deimarsax. Es gibt insgesamt 1353 Opfer, davon 867 final. Auch das Einsatzteam wird komplett gewiped, allerdings nicht final.

Das Netz ist plötzlich voll von geheimen Details der Info-Extraktion von Xiao Chu und Gra-Nun-Tek. Xiao Chu trägt in der öffentlichen Meinung als Auftraggeber die Hauptschuld an der Katastrophe. Deimarsax verlangt Schadenersatz von Xiao Chu und damit von Bilsass. Er beklagt die Verantwortungslosigkeit der Menschen in Selbstverwaltung, ihre Inkompetenz bei der Durchführung der Geheimoperation und überhaupt die Tatsache, dass Menschen ohne Erlaubnis Geheimoperationen ausführen. Er fordert, Xiao Chu besser zu kontrollieren.

Bilsass, der seit der Kampagne gegen Luhman 16 angeschlagen ist, gibt schließlich dem Drängen nach. Er kann seine Autorität auf einen Schlag komplett wiederherstellen durch die Erneuerung des Abhängigkeitsverhältnisses mit dem Beschützer der Deimos-Werften. Deimarsax verpflichtet sich öffentlich zu bedingungsloser, kritikfreier Treue. Im Gegenzug erhält er Xiao Chu, um es als neues Lehen an einen seiner eigenen Vasallen zu vergeben.

Damit verliert nun auch Xiao Chu seine Unabhängigkeit.

Die wahren Hintergründe um die Übermittlung des falschen Einsatzprofils für Luhman 16 und die komplexen Details der Abstimmung von Raumkrümmern für Höchstleistungen in verschiedenen Einsatzprofilen werden nie bekannt.

Der Konflikt zwischen den zwei Beschützern am Mars-Ring im Zuge dessen First Vortex Holdings neue Kredite an Corebridge Energy verweigerte, war künstlich herbeigeführt.

Die Neuausschreibung des Schiffskapazitoren-Auftrags durch die Deimos-Werften, die Corebridge endgültig in Schieflage brachte, war schon lange geplant aber trotzdem kein Zufall.

Der günstige Umstand, dass der Zugangscode zum Corebridge-Modul auf dem freien Markt verfügbar war, erscheint rückwirkend in einem anderen Licht.

Die Tatsache, dass einige Mikroschneidladungen eigentlich nicht mehrere Habitat-Module zerstören können, geht im entstandenen Chaos unter.

Xiao Chu kann nicht belegen, dass vor dem Info-Extraktionseinsatz die notwendigen Einverständniserklärungen eingeholt wurden, weil der Datensatz verschwunden ist.

Bilsass vermutet, dass die Kette der Ereignisse absichtlich herbeigeführt wurde. Aber seine neue gefestigte Position ist alles was zählt.

#Industrie #Krieg #Hightech #Chaos #Verschwörung #Unfall

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2705 Kriegserklärung der Koalition an Kisor.

Beginn des Kriegs gegen die Kisor Zwillinge.

Die Geschichtsschreibung nennt dieses Jahr als Beginn des Kriegszustands. Alles was vorher geschehen war, fällt unter die Begriffe Zwischenfall, Kommandounternehmen oder Polizeiaktion.

Schon seit 20 Jahre gibt es ständig direkte militärische Konfrontationen zwischen Soldaten der solaren Koalition und Kisors. Doch nahm die Öffentlichkeit davon weniger Notiz, als von spektakulären Aktionen, wie der Deportierung der solaren Diobe-Kolonisten oder der Ermordung der kisorischen Gildevertreter auf Afro.

Solche Ereignisse wären aber kein Anlass für einen totalen Krieg gewesen. Der Krieg entwickelt sich aus einer Eskalation der Gewalt, die wie so oft, auf unterschiedliche Verhältnisse und Denkweisen zweier Zivilisationen zurückzuführen ist.

Die öffentliche Meinung der Koalition nimmt den Kisor-Zwillingen vor allem ihre schnelle Bereitschaft übel, alle gegen Menschen gerichteten Aktionen zu unterstützen und die Koalitionsregierung fürchtet die Rivalität des technisch immer noch höherstehenden Kisor. Das Volk der Kisor-Planeten ist empört über die Kompromisslosigkeit mit der die Siedler auf schon bewohnten Planeten vorgehen, während der Rat der Gilden befürchtet seinen Einfluss und damit seine kommerzielle Macht in der Region zu verlieren.

So sind beide Regierungen entschlossen, ein Exempel zu statuieren und ihren Anspruch im Sektor Deimas durchzusetzen. Die beiden Kontrahenten werden erst nur durch Waffenlieferungen, dann aber auch durch Truppen unterstützt. Dies führt zur taktischen Notwendigkeit auch die Nachschubbasen des Gegners anzugreifen. Die ersten zwei interstellaren Stützpunkte, die angegriffen werden, gehörten Kisor. Kisor schlug zurück und bombardiert Koalitionsstützpunkte. Die Basen der Koalition liegen auf bewohnten Planeten und sind an Kolonien angeschlossen, während die Kisors auf unbewohnten Planeten lagen. Beim Angriff auf eine Koalitionsbasis bei Ifri wird nicht nur der militärische Stützpunkt getroffen, sondern auch mehrere Städte in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt große Verluste unter der zivilen Bevölkerung. Die Koalitionsregierung sieht in einem Angriff auf Kisor die einzige angemessene Möglichkeit zu reagieren. Deshalb wird die Kriegserklärung abgegeben.

Der Überfall auf ihren Heimatplaneten kommt für die Bewohner Kisors völlig überraschend, da sie seit Jahrhunderten nur Stellvertreterkriege ausgefochten hatten und keinesfalls eine solche Eskalation erwarten.

Tatsächlich sind Angriffe auf den Heimatplaneten auch für Kisor nicht unbekannt. Kisor wurde im Lauf der Geschichte mehrmals überfallen und stark verwüstet. Allerdings waren diese Angriffe fast ausschließlich auf Neobarbaren zurückzuführen und nicht vergleichbar mit einem totalen Krieg zwischen zwei etablierten Völkern. Der letzte bedeutsame Angriff auf das Kisor-System liegt 150 Jahre zurück.

Die Blütezeit der Menschheit hätte wahrscheinlich noch mehrere Jahrzehnte angehalten, wäre sie nicht durch den ersten Krieg gegen Kisor abrupt beendet worden.

Vom Krieg sind nur die inneren Kolonien in Richtung Kisors bis 150 Lj, auf der abgewandten Seite bis 80 Lj und die Koalition selbst betroffen. Die äußeren Kolonien v.a. in Richtung galaktisches Zentrum werden kaum berührt.

#Krieg #interstellar #Eskalation

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2165 Yksityiskohta World Jam

Erste globale Zusammenkunft der Yksityis-Bewegung, genannt "YZero Con"

Der V-Con ist eine virtuelle Zusammenkunft von Yksityis-Anhängern. Die Veranstaltung wird jährliche abgehalten mit stark wachsenden Teilnehmerzahlen. 2165 sind es 20.000 Teilnehmer. Dann fünf Jahre später schon eine Million. Weitere zehn Jahre später um 2180 stößt der V-Con trotz virtueller Präsenz mit weltweit 20 Millionen Teilnehmern an organisatorische Grenzen.

Yksityiskohta (auch Yksityis, Eeqsitis) ist der Glaube an den Einzelnen, das Individuum und an das Entstehen des Gemeinwohls aus vielen Beiträgen von selbständigen Individuen. Der Glaube an das Jetzt und an den Lohn durch Arbeit, bzw. Lohn von der Natur durch Sorge für die Natur.

Entstanden ist Yksityis in Nordeuropa während des Crashs. Die Länder Nordeuropas gehörten Mitte des 21. Jahrhunderts zu den am höchsten entwickelten Gebieten der Erde. Sie waren deshalb besonders stark vom Ausfall der Technik betroffen; und vom harten nördlichen Klima, das plötzlich wieder eine zentrale Rolle spielte. Als große Organisationen, einschließlich der Kirchen, nicht helfen konnten, konzentrierten sich die Menschen auf sich selbst und ihre eigenen Fähigkeiten.

Damit verstärkte sich im Norden Europas ein seit der Jahrtausendwende wachsender Trend zur Abwendung von den organisierten Religionen. Viele Menschen finden in Yksityis eine neue spirituelle Heimat, die zu ihrer neuen Lebenswirklichkeit besser passt, als die Buchreligionen. Wichtige Elemente sind Selbstregulierung (Homöostase) und Selbstorganisation in lernfähigen Systemen. Es gibt Einflüsse der Gaia-Hypothese, von Naturreligionen, Shintoismus (Diesseitsbezogenheit, Kami in allen Dingen) und – bei besonders engagierten Gläubigen – dem Schamanismus.

Die Dynamik geht von der Basis aus und nicht von Organisationen oder Vordenkern. Nach den schmerzhaften Erfahrungen des Crashs hat der Glaube an Autoritäten gelitten. Viele Gemeinschaften mussten sich selbst helfen. Sie waren dabei in den ersten Jahren auf das angewiesen, was die Natur ihnen bot. Der Begriff Natur, der Mitte des 21. Jahrhunderts zum Synonym für bedrohte Umwelt geworden war, änderte sich wieder zur Lebensspenderin (Gaia, Muttererde).

Der westliche Trend zur Individualisierung und zur individuellen Freiheit bekam neuen Raum als die Durchsetzungsfähigkeit von Staaten abnahm. Auf der organisatorischen Ebene bedeutet Yksityis Dezentralisierung und Subsidiarität, mit der Betonung von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Darin drücken sich Verhaltensweisen aus, mit der eine ganze Generation aufgewachsen ist, als Probleme selbst oder in kleinen Gruppen gelöst werden mussten. Der Ansatz führt auch zur Ablehnung von Fremdsteuerung und Kontrolle, sowohl staatlicher, als auch gesellschaftlicher und religiöser Organisationen.

Der subsidiäre Aspekt von Yksityis findet sich auch in Eter-Technologien wieder, die ganz stark von nordeuropäischen Konzernen geprägt werden.

#Religion #Crash #Gaia

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